Die Verwendung der finanziellen Mittel von Fraktionen und das Verhältnis von Partei- und Fraktionsfinanzen ist immer mal wieder Gegenstand von Debatten. Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) ausgesprochen interessant, wenn auch wenig überraschend.
Nach dem BGH erfüllt die gesetzwidrige Verwendung von Geldern, die einer Fraktion aus dem Haushalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewendet worden sind, den Tatbestand der Untreue. Dies auch, wenn die Gelder „für Zwecke der die Fraktion tragenden Partei ausgegeben“ werden. Dem Vorsitzenden einer Parlamentsfraktion obliegt unter Umständen nach Ansicht des BGH eine Pflicht zur Betreuung des Vermögens der Fraktion im Sinne des § 266 StGB. Der BGH geht aber noch weiter. Auch die Annahme einer geldwerten Leistung aus dem Vermögen einer von ihr getragenen Parlamentsfraktion durch die Partei, ohne das als Spende dem Präsidenten des Deutschen Bundestages anzuzeigen und deren Wert an diesen weiterzuleiten, sei als Untreue zu werten. Daran ändern auch die §§ 31c Abs. 1 Satz 1 und § 31d PartG nichts. Und die Vorsitzenden einer Partei verletzen nach Ansicht des BGH ihre Pflicht zur Betreuung des Vermögens einer Partei, wenn sie die die rechtswidrige Spende annehmen und sie nicht gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bundestages anzeigen und weiterleiten.
Der Ausgangsfall spielt in Rheinland-Pfalz. Der Angeklagte (Dr. B.) war von 1996 bis 2006 Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz einer Partei, von 2002 bis 2006 stellvertretender Vorsitzender dieser Partei und wurde im November 2004 zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 26. März 2006 dieser Partei gewählt. Daneben hatte er mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1996/1997 von 1994 bis 2006 das Amt des Vorsitzenden der Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz inne. Ein weiterer Angeklagter -ebenfalls seit jungen Jahren Mitglied der Partei- war seit dem Jahre 1997 Gründungspartner und Geschäftsführer der Unterbehmensberatungsagentur C. GmbH (im Folgenden: C. ). Die Kurzfassung des Sachverhaltes lautet: Der Angeklagte hat Beratungsleistungen der C., die im Wahlkampf zur Landtagswahl für die Partei geleistet wurden, gemeinsam mit einigen Mitangeklagten aus Fraktionsgeldern vergütetet. Diese Leistungen der Fraktion an die Partei wurden in deren Rechenschaftsberichten nicht aufgeführt und nicht an den Präsidenten des Bundestages weitergeleitet. Das führte zu einer Strafzahlung. Alle Beteiligten wussten was sie taten und das dieses Tun nicht erlaubt war.
Die Langfassung des Sachverhaltes, die eine erhebliche kriminelle Energie der Beteiligen erkennen lässt, sieht wie folgt aus: Allen Beteiligten war klar, dass die Beratungsleistungen der C. vom Landesverband der Partei nicht im gesamten Umfang getragen werden konnten. Deshalb sei vereinbart worden, dass die Partei einen Teil der Summe zahle und der restliche Betrag von der Fraktion übernommen werde. Um dies zu bewerkstelligen musste die Fraktionssatzung umgangen werden, die eine zweite Unterschrift für Überweisungen vorsah. Deshalb wurde eine eingescannte Unterschrift des Zeugen J. , dem damaligen parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, verwendet. Dieser wurde nicht über den Sachverhalt informiert. Ein schriftlicher Vertrag wurde mit der C. nicht geschlossen, die Forderungen gegenüber der Fraktion wurden mit folgendem Schreiben geltend gemacht: „Für die konzeptionelle Entwicklung parlamentarischer Initiativen berechnen wir vereinbarungsgemäß…„. Die Fraktion zahlte die Rechnungen. Irgendwann fiel einem der Angeklagten auf, dass die Fraktion die Honorare nicht pünktlich zahlen kann. Es wurde ein Zahlungsplan vereinbart, in dessen Ergebnis eine Zeugin ihre Rechnungen nunmehr dem Landesverband der Partei gegenüber ausstellen sollte. Die Partei überwies tatsächlich eine nicht unerhebliche Summe an die Zeugin. Die Fraktion hatte irgendwann einen Zahlungsrückstand, weswegen sie sich von der Fraktionsvorsitzendenkonferenz einen überhöhten Betrag überweisen lies. Nach der Landtagswahl waren immer noch Rechnungen offen. Diese übernahm die Stiftung K. , deren Geschäftsführer ein Mitangeklagter geworden war. Der Landesrechnungshof prüfte, ob die u.a. an C. gezahlten Gelder tatsächlich für Fraktionsaufgaben verwendet worden waren. Im Rahmen dieses Prüfverfahrens gab der Angeklagte an, das Angebot sei in seine Leistungsbestandteile zerlegt und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend zwischen der Fraktion und der Partei aufgeteilt worden. Der Angeklagte schied 2009 aus dem Landtag aus, der Landesrechnungshof kam in seinem im April 2010 veröffentlichten Bericht zu dem Ergebnis, dass für sämtliche Zahlungen der Fraktion an C. in Höhe von insgesamt 385.918,40 € eine Verwendung für Fraktionszwecke nicht belegt werden konnte. Daraufhin zahlte die damalige Fraktionsführung im Mai 2010 den Betrag vollständig an den Landtag zurück. Am 24. Juni 2006 wurde der Rechenschaftsbericht des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Partei für das Jahr 2005 eingereicht. In diesem wurden die Zahlungen der Fraktion an C. nicht erwähnt, obwohl die beiden Angeklagten die für den Rechenschaftsbericht die Verantwortung trugen wussten, dass die Tätigkeit von C. nahezu ausschließlich der Partei zugute gekommen war. Sie unterließen die Angabe bewusst, da ihnen bekannt war, dass es sich bei den von der Fraktion bezahlten Tätigkeiten von C. für die Partei um Spenden der Fraktion an diese handelte und die Partei solche nicht annehmen durfte. Das beruht auf dem Gebot des § 25 PartG, keine Spenden von Fraktionen anzunehmen und alle Spenden ordnungsgemäß zu verbuchen. Der Rechenschaftsbericht des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Partei für das Jahr 2006 wurde im Jahr 2007 von der neuen Parteiführung erstellt. Auch in diesem Bericht wurden die im Jahr 2006 durch die Fraktion an C. gezahlten Beträge nicht aufgeführt. Dies beruhte wohl darauf, dass der Angeklagte, der bis März 2006 Parteivorsitzender war, diese nicht angegeben hatte. Nach Veröffentlichung des Berichts des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz im April 2010 prüfte die Bundestagsverwaltung, ob durch den Landesverband der Partei unzulässige Spenden der Fraktion angenommen worden waren. Der Vorstand des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Partei beschloss im Dezember 2010 einstimmig, eine durch die Bundestagsverwaltung festgesetzte Strafzahlung zu akzeptieren. Die Bundestagsverwaltung erließ einen Bescheid, in dem sie feststellte, dass u.a. die Zahlungen der Fraktion an C. als Verstoß gegen das Parteiengesetz zu werten seien und setzte eine Strafzahlung des Bundesverbandes der Partei in Höhe des dreifachen Betrages fest. Auch der Bundesverband der Partei akzeptierte die Strafzahlung.
Das Urteil des BGH ist wenig überraschend. Bedeutung kommt dem Urteil eigentlich nur deshalb zu, weil es noch einmal grundlegende Aussagen zu Fraktions- und Parteifinanzen trifft.
Zum einen macht der BGH deutlich, dass eine Rückzahlungsverpflichtung der Fraktion an den Haushalt den Anwendungsbereich des § 266 StGB (Untreue) nicht entfallen lässt. Darüber hinaus formulierte der BGH aber auch, dass es sich bei „der Pflicht zur Wahrung der Vermögensinteressen der Fraktion (…) – auch mit Blick auf die weit darüber hinausgehenden Aufgaben eines Fraktionsvorsitzenden – um eine Hauptpflicht“ handelt (Rdn. 28), damit also einen Fraktionsvorsitzenden eine Vermögensbetreuungspflicht trifft.
Die zentrale Aussage, welche die Rolle von Fraktionen und den sich daraus ergebenden Möglichkeit und Grenzen der (Geld)Mittelverwendung ausgesprochen gut beschreibt, findet sich in Rdn. 29 und lautet: „Fraktionen sind als Gliederungen des Parlaments der organisierten Staatlichkeit eingefügt. Diese Zuordnung rechtfertigt es, ihnen zur Deckung ihrer im Rahmen der parlamentarischen Arbeit entstehenden Aufwendungen Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu gewähren (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 – 2 BvF 1/65, BVerfGE 20, 56, 104 f.; zu den Grundlagen der Fraktionsfinanzierung vgl. auch Lesch, ZRP 2002, 159; Paeffgen, in Festschrift Dahs, 143, 146 ff.). Staatliche finanzielle Mittel, die den Fraktionen über solche Zuschüsse zufließen, werden grundsätzlich von allen Staatsbürgern ohne Ansehung ihrer politischen Anschauungen oder Zugehörigkeiten erbracht und sind dem Staat zur Verwendung für das gemeine Wohl anvertraut. Diese Zweckbindung schließt es aus, dass bei einem so entscheidend auf das Staatsganze bezogenen Vorgang wie der Wahl der Volksvertretung die von der Allgemeinheit erbrachten und getragenen finanziellen Mittel des Staates zu Gunsten oder zu Lasten von politischen Parteien oder Bewerbern in parteiergreifender Weise eingesetzt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, 125, 143, 146). Hieraus folgt, dass es einer Parlamentsfraktion verfassungsrechtlich verwehrt ist, ihr als Teil eines Staatsorgans aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellte Zuschüsse zur Finanzierung des Wahlkampfes einer Partei zu verwenden. Tut sie dies dennoch, so wird damit zugleich das Recht der übrigen Parteien und Wahlbewerber auf gleiche Wettbewerbschancen verletzt. Dieser Grundsatz gilt auch für die Wahlvorbereitung und erstreckt sich in diesem Rahmen auf die Wahlwerbung (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1982 – 2 BvR 630/81, NVwZ 1982, 613 mwN).“ Klar, eindeutig und m.E. vollkommen richtig. Fraktionen dürfen finanzielle Mittel zur „Deckung ihrer im Rahmen der parlamentarischen Arbeit entstehenden Aufwendungen“ verwenden. Aber eben nur dafür. Und wenn es keinen Zusammenhang zur parlamentarischen Arbeit gibt, dann kann dafür von der Fraktion auch keine Kohle ausgegeben werden.
Auch die Ausführungen im Hinblick auf Parteispenden sollen an dieser Stelle kurz erwähnt werden. Diese sind ebenfalls wenig überraschend, aber dennoch in ihrer Klarheit für das „in Erinnerung rufen“ ziemlich sinnvoll. Zunächst stellt der BGH (Rdn. 38) fest, dass der § 31d PartG im Verhältnis zu § 266 StGB „kein spezielles, eine abschließende Regelung enthaltendes und die Anwendbarkeit des § 266 StGB ausschließendes Gesetz“ ist. Der § 31d PartG tritt deshalb neben die genannten Regelungen. § 31d PartG „hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Richtigkeit der Rechnungslegung nach Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG im Blick„, während die §§ 266, 263 StGB dem Schutz des Vermögens dienen.
Im Hinblick auf den § 27 Parteiengesetz formuliert der BGH (Rdn. 45): „Parteispenden sind nach § 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 PartG alle freiwilligen und unentgeltlichen Zahlungen sowie sonstige geldwerte Zuwendungen aller Art, die über Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge hinausgehen. Der Begriff ist weit auszulegen und umfasst sämtliche Vorgänge, die für die Partei einen wirtschaftlichen, in Geld messbaren Vorteil begründen. Abzustellen ist dabei auf eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise, welche die tatsächlichen Gegebenheiten erfasst; nicht maßgebend ist demgegenüber die zivilrechtliche Wirksamkeit der vorgenommenen Rechtsgeschäfte. Eine geldwerte Zuwendung kann auch in Form selbst erbrachter oder eingekaufter Dienstleistungen der Fraktion an die hinter ihr stehende Partei geleistet werden.“ Auch hier hat der BGH klar und eindeutig formuliert. Damit dürfte dann auch -um auf einen alten Streit zurückzukommen- klar sein: Auch Bratwürste von einem Unternehmen für ein Kinderfest einer Partei zur Verfügung gestellt, sind Unternehmensspenden.
Personen des öffentlichen Lebens muss man nicht abkürzen:
Der betreffende Politiker heißt Christoph Böhr und war CDU-Funktionär.
http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_B%C3%B6hr#Parteispenden-Aff.C3.A4re_der_rheinland-pf.C3.A4lzischen_CDU