Ich glaube es ist kein Geheimnis, dass über kurz oder lang die generelle Impfpflicht gegen Corona kommen wird. Ich habe mir noch gar keine abschließende Meinung zur Frage Impfpflicht gebildet, bin aber dreimal geimpft. Im November 2021 habe ich hier ein paar Dinge zur Impfpflicht aufgeschrieben.
Was mich aber tatsächlich umtreibt ist die Frage eines Impfregisters. Tatsächlich ist es zunächst ein Bauchgefühl, was ich als „widerwillig“ beschreiben würde. Aber es gibt aus meiner Sicht auch datenschutz- und grundrechtliche Gründe gegen ein solches Register, wenn ich das richtig sehe gibt es dafür nämlich keine Rechtsgrundlage. Und nein, das ist keine Absage an das Impfen an sich.
Unter einem nationalen Impfregister verstehe ich ein zentrales Register, auf das autorisierte Personen zugreifen und so den Impfstatus (im Übrigen nicht nur gegen Corona) einer konkreten Person abrufen können. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf ein so ausgestaltetes Impfregister.
Beim Impfstatus handelt es sich um ein personenbezogenes Datum nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung), in einem Impfregister würde eine Datenverarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO stattfinden. Möglicherweise liegt bei einer Abfrage Profiling im Sinne von Art. 4 Nr. 4 DSGVO vor. Beim Impfstatus dürfte es sich um Gesundheitsdaten nach Art. 4 Nr. 15 DSGVO handeln.
Was eine rechtmäßige Datenverarbeitung ist regelt der § 6 DSGVO. In Betracht kommen hier Art. 4 Absatz 1 Buchstabe d) und e). Nach Buchstabe d) ist die Verarbeitung erforderlich, „um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen“ und nach Buchstabe e) ist die Verarbeitung erforderlich „für die Wahrnehmung einer Aufgabe (…), die im öffentliche Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt“. Hier sehe ich schon keine Erforderlichkeit. Um andere Menschen zu schützen kann auf die Vorlage eines Impfnachweises abgestellt werden und für die Statistik reichen die Meldungen über Impfungen aus. Ich kann nicht sehen, dass ein Register erforderlich ist, aber vielleicht gibt es ja mir noch nicht bekannte Gründe.
Es kommt aber noch etwas hinzu. Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist der Grundsatz, dass die Verarbeitung von Gesundheitsdaten untersagt ist. Nun ist bekannt, dass wo ein Grundsatz auch eine Ausnahme. Die Ausnahmen finden sich in Absatz 2. Eine Ausnahme gilt nach Buchstabe a) bei einer ausdrücklichen Einwilligung, aber bei einem Register geht es kaum um eine freiwillige Einwilligung. Nach Buchstabe c) ist eine Ausnahme möglich, wenn „die Verarbeitung (…) zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person erforderlich (ist) und die betroffene Person (…) aus körperlichen oder rechtlichen Gründen außerstande (ist), ihre Einwilligung zu geben„. Aus der Formulierung „und“ lese ich, dass hier beide Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ist für ein Register eine Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe c) wohl nicht gegeben. Bliebe noch der Buchstabe g). Danach ist „die Verarbeitung (…) auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht, aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich„. Auch hier sehe ich allerdings keinen Anknüpfungspunkt, denn das öffentliche Interesse an einer Übersicht geimpfter Personen ist ebenso über andere Mechanismen realisierbar, wie im konkreten Fall nicht ein Register erforderlich ist um den Impfstatus zu erfragen. Gleiches dürfte für Buchstabe h) gelten, wonach die Verarbeitung „für Zwecke der Gesundheitsvorsorge (…), für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten, für die medizinische Diagnostik, die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich oder für die Verwaltung von Systemen und Diensten im Gesundheits- oder Sozialbereich auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats oder aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs erforderlich“ ist. Auch hier gibt es andere, datensparsamere Wege. Schließlich dürfte auch der Buchstabe i) hier nicht weiterhhelfen. Nach diesem ist eine Verarbeitung „aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie dem Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren oder zur Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Gesundheitsversorgung und bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats, das angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person, insbesondere des Berufsgeheimnisses, vorsieht, erforderlich„. Hier sehe ich ebenfalls keine Erforderlichkeit, weil es datensparsamere Alternativen gibt, die insbesondere eine inviduelle Zuordnung verhindern.
Kurz und gut, ich sehe derzeit gar keine Rechtsgrundlage für ein Impfregister. Zumal es mit dem Volkszählungsurteil aus dem Jahr 1983 auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gibt.
Wenn ich die Debatten nun richtig verfolge, geht es bei dem Ruf nach einem Impfregister zumindest vordergründig um den Wunsch nach „konkreten Zahlen“. Dieser Wunsch ist verständlich, aber dieser Wunsch ist halt eben auch ohne Impfregister erfüllbar. Hier würde es reichen, wenn in anonymisierter Form übermittelt wird, in welchem Umfang Impfungen stattgefunden haben. Aber es geht beim Wunsch nach dem Impfregister wohl auch darum, dieses zum Vollzug und zur Kontrolle einer Impfpflicht zu nutzen. Ich mag mir nun gar nicht ausmalen, wer dann wann in das Impfregister schaut und dann Kontrolle auszuüben und im bestenfall Bußgelder zu verhängen, im schlechtesten Fall -auch solche Debatten gab es ja- durch Datenaustausch ungeimpften Personen sozialstaatliche Leistungen vorzuenthalten oder zu kürzen.
Bisher war es üblich, dass diejenigen die in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen wollten die Notwendigkeit begründen und die entsprechende Rechtsgrundlage für den Eingriff benennen mussten. Ich kann nicht ausschließen, dass ich etwas übersehen habe, aber bevor die Debatte um ein nationales Impfregister weiter geht hätte ich gern, dass auf die Wissenschaft gehört wird – hier die Rechtswissenschaft. Die Debatte sollte erst weiter geführt werden, wenn eine Rechtsgrundlage für ein nationales Impfregister benannt und deren Tragbarkeit diskutiert worden ist. Alles andere wäre nämlich eine sinnlose Debatte.
Ausdrücklicher Dank an die Juristin, der es gelingt hier deutlich zu machen, warum eine Rechtsgrundlage zu fehlen scheint und dass der Ruf nach einem Impfregister möglicherweise ein hilfloser Ruf nach berechtigen Überblick innewohnt, der anders zu erfüllen wäre.