Jetzt geht es um KONKRET statt ABSTRAKT-GENERELL

Beim Volksentscheid „DW enteignen“, bei dem es um die Vergesellschaftung von Grund und Boden nebst aufstehender Gebäude von großen Immobilienunternehmen ging, haben 1.035.950 Berliner:innen für das Anliegen der Initiative DW enteignen gestimmt. Sie haben damit den Berliner Senat aufgefordert,  „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind„. Alle Maßnahmen kann nur ein Gesetz nach Artikel 15 Grundgesetz bedeuten, denn der Satz 1 des Artikel 15 lautet:

„Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Für die in Berlin eine Koalition beabsichtigenden Parteien SPD (390.329), Grüne (343.871) und LINKE (256.063) stimmten weniger Berliner:innen als für den Volksentscheid. Mithin haben auch Menschen für die Vergesellschaftung gestimmt, die die Parteien die eine Koalition bilden wollen nicht gewählt haben. 

Es liegt nun in der Hand des Senates ein Gesetz zu erarbeiten, denn das ist der Auftrag der Berliner:innen. Aus demokratischer Sicht kann es gar keine andere Option geben.

Sicher ist auch, dass eine Vergesellschaftung ABSTRAKT-GENERELL möglich ist. Denn der § 12 des Abstimmungsgesetzes Berlin lässt keine Volksbegehren zu, die dem Grundgesetz, sonstigem Bundesrecht, dem Recht der Europäischen Union oder der Verfassung von Berlin widersprechen. Nach § 17 Abs. 2 Abstimmungsgesetz hat die Senatsinnenverwaltung zu prüfen, ob die Anforderungen unter anderem des § 12 Abstimmungsgesetz erfüllt sind. Und der § 17 Abs. 9 legt fest, dass die Senatsinnenverwaltung, soweit das Volksbegehren nicht den Anforderungen der §§ 11 oder 12 entspricht, den Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens dem Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen hat. Hinzu kommen diverse Gutachten, ich will hier nur auf das von Prof. Wieland für die Fraktion DIE LINKE. im Abgeordnetenhaus verweisen.

Nunmehr steht im Koalitionsvertrag der beabsichtigten Koalition auf Seite 24 f. dazu folgendes:

„Die neue Landesregierung respektiert das Ergebnis des >Volksentscheides über einen
Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur
Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen< und wird
verantwortungsvoll damit umgehen.

Sie setzt eine Expertenkommission zur Prüfung der Möglichkeiten, Wege und
Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens ein. Die Besetzung der
Expertenkommission erfolgt unter Beteiligung der Initiative des Volksbegehrens. Die
Kommission erarbeitet innerhalb eines Jahres eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Senat, der dann eine Entscheidung darüber trifft. In den ersten 100 Tagen beschließt der Senat über die Einberufung, Beauftragung und Besetzung der Expertenkommission anhand einer Beschlussvorlage. Dabei setzt die Koalition auf externe fachliche Expertise.

In einem ersten Schritt soll die Kommission die Verfassungskonformität einer
Vergesellschaftung, wie im Volksentscheid vorgesehen, untersuchen. Dabei sollen auch
mögliche rechtssichere Wege einer Vergesellschaftung benannt und rechtlich bewertet
werden. In einem zweiten Schritt werden für diese Wege wohnungswirtschaftliche,
gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende
Empfehlungen an den Senat erarbeitet. Der Senat wird die möglichen verfassungskonformen
Wege einer Vergesellschaftung unter wohnungswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkten gewichten und bewerten.
Auf Basis der Empfehlungen der Expertenkommission legen die zuständigen
Senatsverwaltungen im Jahr 2023 gegebenenfalls Eckpunkte für ein
Vergesellschaftungsgesetz vor. Danach wird der Senat eine abschließende Entscheidung
darüber treffen.

Es wird eine Geschäftsstelle für die Expertenkommission eingerichtet, die den Mitgliedern
unterstützend zur Seite steht. Die Expertenkommission berichtet zu Zwischenständen.“ 

Diese Formulierung kann nur verschieden gelesen werden. Die einen stören sich an „gegebenenfalls Eckpunkte“ vorlegen, die anderen finden die Formulierung „Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens“ falsch.  Richtig ist aus meiner Sicht, die Formulierungen sind -diplomatisch ausgedrückt- suboptimal.

Aus meiner Sicht bedarf es keiner Eckpunkte, sondern konkreter Vorschläge für ein Gesetz. Wenn dies nur über Eckpunkte geht, dann wegen mir auch das. Solange am Ende ein konkreter Vorschlag eines Gesetzes steht. Die Formulierung mit der „Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen “ sehe ich als einen Auftrag an, KONKRETE Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen zu prüfen. Das dies mit externen Experten:innen passiert ist aus meiner Sicht ziemlich sinnvoll. Klar ist, am Ende muss ein Gesetz stehen (bei dem im Übrigen die Senatsverwaltung für Justiz ein ordentliches Wörtchen mitreden dürfte). Ebenso klar ist allerdings auch, dieses Gesetz wird vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Die Einbeziehung von Experten:innen finden ich deshalb sinnvoll, weil sich bereits bei den vorliegenden zwei Gesetzentwürfen zeigt, dass die KONKRETE Umsetzung mit vielen zu klärenden Sachverhalten sowohl juristischer, als auch wohnungswirtschaftlicher und finanzieller Art zu tun haben wird. Ich will mich mal allein auf die juristischen Dinge konzentrieren. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. im Abgeordnetenhaus unterscheidet sich beispielsweise in einer zentralen Frage fundamental von dem Gesetzentwurf der Initiative. Während der Gesetztentwurf der Fraktion DIE LINKE vorsieht, dass die zu vergesellschaftenden Grundstücke (also Grund und Boden nebst aufstehenden Häusern) im Gesetz genau benannt werden müssen, sieht das die Initiative anders. Dort soll nach § 3 im Gesetz geregelt werden, welche Unternehmen Vergesellschaftungsreif sind und in § 7 wird die für das Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung mit der Durchführung des Gesetzes betraut. Danach stellt die Durchführungsbehörde „den Übergang in Gemeineigentum per Bescheid fest. Der
Feststellungsbescheid ist dem Eigentümer zuzustellen und dem vergesellschaftungsreifen Unternehmen sowie dem Grundbuchamt schriftlich mitzuteilen. Die Mitteilung gilt als Ersuchen der Durchführungsbehörde zur Eintragung des Eigentumsübergangs in das Grundbuch und zur Löschung der privatrechtlichen Verpflichtungen„. Nach dem Gesetzenwurf der LINKEN-Fraktion braucht es demnach keine Behörde mehr zum Vollzug der Vergesellschaftung, nach dem Gesetzentwurf der Ini hingegen schon. Aus meiner Sicht ist der Gesetzentwurf der Ini Vergesellschaftung „auf Grund eines Gesetzes“ und der Gesetzentwurf der LINKEN-Fraktion Vergesellschaftung „durch Gesetz“. Aber meine Sicht ist gar nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass im KONKRETEN selbst bei den Befürworter:innen der Vergesellschaftung schon bei den juristischen Umsetzungsfragen unterschiedliche Positionen existieren. Wenn das aber so ist, dann ist es eine sinnvolle und ausgesprochen zielführende Veranstaltung, dass da Experten:innen aus den jeweiligen Fachgebieten eine Blick darauf werfen und zu Vorschlägen kommen, die das Risiko einer Niederlage vor dem BVerfG minimieren. Ein Risiko wird immer bleiben, weil noch nie eine Vergesellschaftung nach Art. 15 GG umgesetzt wurde. Vergesellschaftung geht nicht schnell, es bedarf dafür eines langen Atems.

Die Experten:innenkommission bietet neben der dringend notwendigen fachlichen Expertise für die KONKRETE Vergesellschaftung auch noch eine andere Option. Die Experten:innen-Kommission soll über Zwischenstände berichten. Das ist ein willkommener Anlass, die Debatte um die KONKRETE Vergesellschaftung in die Debatte zu tragen. Die Experten:innen und ihre möglicherweise unterschiedlichen Zugänge und Ansätze für die KONKRETE Vergesellschaftung können in die Gesellschaft getragen werden. Die unterschiedlichen KONKRETEN Ansätze für eine Vergesellschaftung können breit debattiert werden. Es gibt quasi einen öffentlichen Gesetzgebungsprozess. Dabei kann für die Idee der Vergesellschaftung geworben werden.

Am Ende des ganzen Prozesses muss halt nur ein KONKRETER Gesetzentwurf stehen. Das ist was zählt.

Vergesellschaftung ist wichtig und richtig, aber Vergesellschaftung ist nicht das einzige Mittel zur Beendigung des Mietenwahnsinns und nur Vergesellschaftung allein wird diese Beendigung nicht schaffen. Vergesellschaftung ist ein zentraler Bestandteil einer ganzen Reihe von Mittel. Dazu zählen aus meiner Sicht auf der Ebene des Landes Berlin unter anderem:

  • Grundsatz, dass Grund und Boden grundsätzlich im Eigentum der Stadt bleibt und nicht verkauft wird
  • Neubau bezahlbarer (!!!) Wohnungen (am besten ohne neue Flächenversiegelung), möglichst durch Genossenschaften und landeseigene Wohnungsunternehmen
  • Vereinbarungen mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen über Vermietung an besonders bedürftige Personen und Miethöhenbegrenzungen
  • Vereinbarungen (wegen mir auch mit der privaten Wohnungswirtschaft, wenn sie das mitmacht) zu einem Mietenmoratorium
  • Mietenkataster

 

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