Die Sache mit der Grundbucheinsicht

Für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück ist nach § 873 BGB eine Eintragung im Grundbuch erforderlich. Bei einem Blick in das Grundbuch ist also erkennbar, wer der Eigentümer ist. Das Grundbuch enthält nach § 891 BGB die gesetzliche Vermutung, dass wer als Eigentümer eingetragen ist, auch tatsächlich Eigentümer ist. Es wird insofern vom „öffentlichen Glaube“ des Grundbuchs gesprochen (§ 892 BGB). Die Einsichtnahme in das Grundbuch wird in § 12 GBO geregelt. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 ist die Einsichtnahme jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt.

Was nun ein „berechtigtes Interesse“ ist, das wird im Gesetz nicht geregelt. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass ein „berechtigtes Interesse“ dann gegeben ist, „wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlegt“ (BeckOK, GBO, § 12, Rdn. 1). Ein berechtigtes Interesse „kann rechtlicher, wirtschaftlicher, tatsächlicher, öffentlicher oder wissenschaftlicher Natur sein“ (BeckOK, GBO, § 12, Rdn.3).

Der BGH hat nun entschieden, dass Abgeordneten nicht einfach so eine Einsicht in das Grundbuch zusteht. Nicht einfach so heißt aber auch, unter bestimmten Bedingungen gibt es dieses Einsichtsrecht doch. In seinem 2. Leitsatz sagt der BGH:

„Die Kontrollfunktion der Parlamente gegenüber Regierung und Verwaltung kann ein öffentliches Interesse an der Grundbucheinsicht begründen, das der einzelne Abgeordnete als berechtigtes Interesse i.S.v. § 12 GBO geltend machen kann; dies setzt aber voraus, dass die Grundbucheinsicht der Aufklärung von Missständen oder Fehlverhalten im Bereich der Exekuive dient und nicht lediglich allgemeinen Informationszwecken.“

Danach dürfen Abgeordnete nur Einsichtnahme in das Grundbuch nehmen, wenn sie Missstände oder Fehlverhalten der Exekutive aufklären wollen. Der BGH verengt aus meiner Sicht die Rolle von Abgeordneten hier auf eine Kontrolle der Exekutive und vernachlässigt die Rolle von Abgeordneten als Gesetzgeber. Mithin übersieht der BGH hier meines Erachtens zwei gewichtige Probleme.

1. Möglicherweise lässt sich Fehlverhalten oder ein Misstand der Exekutive überhaupt erst erkennen, wenn die Grundbucheinsicht gewährt wird. Wenn beispielsweise Eigentümer von Grundstücken gesetzliche Vorgaben unterlaufen und sich dies häuft, könnte bei einer Grundbucheinsicht erkennbar sein, ob es sich immer um denselben Eigentümer handelt oder um verschieden Eigentümer. Mal angenommen es würde sich um einen Eigentümer handeln und die Exekutive würde gegen das Unterlaufen der gesetzlichen Vorgaben nicht einschreiten, wäre dies ein Missstand, der von Abgeordneten zu thematisieren wäre.

2. Der BGH reduziert die Arbeit von Abgeordneten auf die Kontrolle der Exekutive. Dies ist aber eine Verengung der Rolle von Abgeordneten. Zu den Aufgaben eines/einer Abgeordneten gehört auch „zu dem Beratungsgegenstand Meinungen zu vertreten und zu erörtern, Regelungsalternativen vorzustellen und hierfür eine Mehrheit im Parlament zu suchen“ (BeckOK, GG, Art. 38, Rdn. 141). Und hier kommt jetzt der Aspekt ins Spiel, dass es sich bei dem Einsichtsbegehren um ein solches nach Grundstücken einer Eigentümerin handelte, die unter anderem Gegenstand eine Volksinitiative ist. Wenn der BGH nun darauf verweist (Rdn. 12), dass „etwa im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften der öffentlichen Hand“ ein Einsichtsrecht einzelner Abgeordneter für möglich gehalten wird, wäre es aus meiner Sicht angebracht gewesen, darzulegen was der Unterschied zwischen einem solchen Immobiliengeschäft und einer Volksinitiative, deren Ergebnis beim erfolgreichen Verlauf der Übergang des Grund und Boden in Gemeineigentum wäre, ist. Wenn der BGH nun (Rdn. 14) aus dem Frage- und Informationsrecht schlussfolgert, es bestehe „kein allgemeines, von einem Bezug zur Verantwortlichkeit der Regierung losgelöstes und von einem konkret darzulegenden berechtigten Interesse unabhängiges Recht (…) auf Grundbucheinsicht “ übersieht er eben gerade die Beratungs- und Gesetzgebungsfunktion von Abgeordneten.  Hier wäre es aus meiner Sicht auch möglich gewesen, dass wenn der BGH ein Recht auf Grundbucheinsicht im Hinblick auf ein konkretes Interesse (Rdn. 18) bejaht, nämlich dann „wenn ein konkretes Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf das konkrete Grundstück dargelegt wird“ hier genau ein solches „Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf das konkrete Grundstück“ anzunehmen. Dieses Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit bezieht sich auf Fragen ob a) das entsprechende Grundstück in den Anwendungsbereich der Volksinitiative fällt und b) wieviele Grundstücke unter den Anwendungsbereich der Volksinitiative fallen. Denn die entsprechende Volksinitiative muss von Abgeordneten bewertet und ggf. muss sogar ein Gesetz geschrieben werden. Das Problem ist, dass der BGH (Rdn. 24) diesen Ansatz nicht betrachtet, sondern lediglich argumentiert, das Anliegen der Grundbucheinsicht sei „ein allgemeines Rechercheinteresse, mit dem lediglich Hintergründe aufgeklärt werden sollen“. Der BGH argumentiert nun auch (Rdn. 25), eine möglicherweise durch eine Grundbucheinsicht nachvollziehbare Einschätzung zum „Wert dieser Grundstücke und damit die Höhe der im Fall einer Enteignung zu leistenden Entschädigung“ habe keinen Vorrang „vor den Interessen der eingetragenen Eigentümer“. Für die Bewertung insbesondere der Entschädigung wäre aber relevant wieviel Grundstücke eigentlich zu entschädigen sind.

In einem weiteren Schritt argumentiert der BGH dann mit dem Datenschutz (Rdn. 17), da das Grundbuch „eine Fülle von personenbezogenen Daten aus dem persönlichen, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bereich“ enthalte sei bei einer Grundbucheinsicht eines Dritten das „Recht der durch die Grundbucheinsicht Betroffenen -in erster Linie des Eigentümers -auf informationelle Selbstbestimmung, welches auch auf juristische Personen anwendbar ist“ verletzt. Ich wünschte mir ja ein ähnlich konsequentes Vorgehen in Sachen Datenschutz an anderer Stelle. Was mich überrascht ist, dass -die Argumente des BGH als zutreffend unterstellt- ja ein milderes Mittel denkbar wäre, nämlich allein die Auskunft, wer Eigentümer ist.

Politisch ließe sich im Übrigen dadurch Abhilfe schaffen, dass ein öffentlich einsehbares Immobilienregister geschaffen wird. Darüberhinaus könnte im Hinblick auf Abgeordnete auch eine Rechtsverordnung entsprechend § 12 Abs. 3 Nr. 2 GBO des Bundesministeriums für Jusitz und Verbraucherschutz geschaffen werden, nach der von der Darlegung des berechtigten Interesses abgesehen werden kann bei „solchen Personen, bei denen es auf Grund ihres Amtes oder ihrer Tätigkeit gerechtfertigt ist“. Dies wäre aus Gesichtspunkten des „Agierens auf Augenhöhe“ zwischen Abgeordneten (Legislative) und Exekutive einerseits und der Beratungs- und Gesetzgebungsfunktion von Abgeordneten andererseits durchaus druchargumentierbar.

 

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