Ab und zu helfe ich Freund*innen bei bürokratischen Angelegenheiten. Manchmal kann ich danach nur verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Diesmal betrifft es die Bürokratie rund um das Wohngeld. Fast könnte mensch den Eindruck gewinnen, es geht darum das möglichst wenig Menschen Leistungen in Anspruch nehmen.
Um Wohngeld zu bekommen, muss ein Wohngeldantrag gestellt werden. Im Land Berlin geht das sogar Online, hier findet sich die entsprechende Webseite des Landes Berlin. Es gibt sogar einen Wohngeldrechner. Nach der Webseite ist ein Antrag auf Wohngeld ausgeschlossen, wenn die Person dem Grunde nach Anspruch auf BaföG haben. Erklärende heißt es noch: „Dem Grund nach bedeutet, dass das eigene Einkommen bzw. das der Eltern zu hoch ist, um eine dieser Leistungen zu erhalten.“
Das entspricht der Rechtslage: Nach § 3 Abs. 1 Nr. WoGG (Wohngeldgesetz) ist eine wohngeldberechtigte Person für den Mietzuschuss „jede natürliche Person, die Wohnraum gemietet hat und diesen selbst nutzt. Ihr gleichgestellt sind die nutzungsberechtigte Person des Wohnraums bei einem dem Mietverhältnis ähnlichen Nutzungsverhältnis (zur mietähnlichen Nutzung berechtigte Person), insbesondere die Person, die ein mietähnliches Dauerwohnrecht hat“. Bei der Aufzählung der vom Wohngeld ausgeschlossenen Personen nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 WoGG werden Empfangende von Leistungen nach dem BaföG nicht genannt. Die Verbindung zum BaföG findet sich erst in Bezug auf das Jahreseinkommen, welches bei der Berechnung des Wohngeldes zu berücksichtigen ist. In § 14 Abs. 2 Nr. 27 WoGG heißt es nämlich, dass zum Jahreseinkommen die Hälfte der als Zuschüsse erbrachten Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem BaföG gehören. In § 17 Abs. 1 BaföG steht, dass die Leistungen als Zuschuss gewährt werden, bei Hochschulen allerdings nach § 17 Abs. 2 BaföG zur Hälfte als Darlehen.
Auf der schon genannten Webseite kann der Wohngeldantrag auch heruntergeladen und ausgefüllt werden. Unter dem Punkt Transferleistungen wird BaföG nicht angegeben. BaföG taucht erst auf, wenn es um das Einkommen geht. Nirgendwo im Antrag auf Wohngeld steht, dass -wenn nach den eigenen Berechnungen- BaföG auf Grund von Einnahmen nicht in Betracht kommt, ein BaföG Antrag zu stellen ist.
Betroffen davon sind insbesondere Menschen, die in einem dualen Studiengang studieren. Denn im Antrag auf Wohngeld ist der Erwerbsstatus anzugeben. Was sollen Personen machen, die ein duales Studium absolvieren? Sie sind eigentlich Studierende und nicht Arbeitnehmer*innen. Bei einem dualen Studium wird aber in der Regel ein Vertrag mit einer Ausbildungseinrichtung abgeschlossen, in bestimmen Bereichen ist das sogar zwingend vorgesehen, zum Beispiel bei Hebammen. Das Hebammengesetz sieht zum Beispiel vor, dass ein Vertrag zur akademischen Hebammenausbildung zwischen dem Inhaber oder Träger der verantwortlichen Praxiseinrichtung und der studierenden Person geschlossen werden (§ 27 Abs. 1) und dieser auch die Höhe der Vergütung enthalten muss (§ 28 Abs. 1 Nr. 5).
Der BaföG Höchstsatz liegt derzeit bei 934 EUR. Nach dieser Webseite wird die Vergütung eines dualen Studiums nun aber 1:1 auf den potentiellen BaföG-Anspruch angerechnet. Wenn die Vergütung des dualen Studiums oberhalb des BaföG Höchstsatzes liegt, wird kaum jemand auf die Idee kommen, einen BaföG-Antrag zu stellen. Warum auch. Der Antrag wird ja eh abgelehnt. Das erweist sich aber möglicherweise als Fehler, wenn Studierende eines dualen Studiengangs beim Antrag auf Wohngeld als Erwerbsstatus nicht Arbeitnehmer*in eintragen, sondern Studierende.
Dann passiert nämlich folgendes: Durch die Vergütung im dualen Studium ist das Einkommen zu hoch, um BaföG zu erhalten, es bleibt aber dabei, dass das Studium dem Grunde nach BaföG-fähig ist. Und dann schlägt die Bürokratie zu.
Nach der Beantragung wird der/die Antragstellende darauf hingewiesen, dass der Antrag unvollständig ist, weil der BaföG-Bescheid oder BaföG-Negativbescheid fehlt. Ohne Bescheid bzw. nicht gestellten BaföG-Antrag wird keine Entscheidung getroffen bzw. wird der Antrag auf Wohngeld abgewiesen.
Was für ein Unsinn.
Es kommt neben dem inhaltlichen Unsinn aber noch etwas anderes hinzu. Ohne dass im Wohngeldantrag klar gesagt wird, wenn jemand studiert, muss zwingend ein BaföG Antrag gestellt werden, auch wenn klar ist das dieser abgelehnt wird, wird nach Antragstellung auf Wohngeld dann auf die Notwendigkeit der BaföG- Antragstellung verwiesen. Ich habe keine Ahnung wie lange eine Entscheidung über einen BaföG-Antrag dauert, aber der Zeitpunkt der Antragstellung auf BaföG -in der Gewissheit der Ablehnung- liegt zeitlich nach der Antragstellung auf Wohngeld. Die Bearbeitung des Wohngeldantrages dürfte sich nicht unwesentlich verzögern.
Für dual Studierende würde es sich daher lohnen, als Erwerbsstatus Arbeitnehmer*in einzutragen statt Studierende, aber wer weiß dies vorher?
Bliebe die Möglichkeit eines Berichtigungsantrages. Einen solchen sieht das Wohngeldgesetz aber nicht vor (oder ich habe diese nicht gefunden). Denkbar wäre auch, dass der/die Bearbeiter*in nach Antragstellung dem/der Antragsteller*in mitteilt, dass als Erwerbsstatus lieber Arbeitnehmer*in eingetragen werden sollte, da dann die BaföG-Prüfung entfällt.
Noch leichter könnte das Bürokratiemonster umgangen werden, wenn beim Formular einfach die Möglichkeit duales Studium angeben wird, die Vergütung des dualen Studiums eintragen werden kann und so deutlich wird, dass diese über dem BaföG Höchstsatz liegt und somit ein Antragstellung auf BaföG keinen Sinn macht.
Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es ja pure Satire und man könnte herzlich lachen.
Aber es ist so furchtbar traurig, dass es mich mit Wut erfüllt.
Hier liegt doch ein Missverständnis beider Seiten vor. Es geht darum, dass die/der Studierende nicht wohngeldberechtigt ist, falls BAföG (oder BAB) bezogen werden könnte, also die Ausbildung nicht grundlegend ausgeschlossen ist. Hierbei ist es egal, ob man aufgrund des zu hohen Einkommens abgelehnt wird. Jedoch kann dies verständlicherweise nicht vom Bearbeitenden beim Wohngeldamt selbst geprüft werden. Deshalb ist ein Antrag auf BAföG zu stellen, und dann der Ablehnungsbescheid (oder ein Dokument, das den Sachverhalt belegt) vorzulegen.
Weiter ist nach meinem Verständnis ein Studierender in einem dualen Studium nur unter bestimmten Bedingungen wohngeldberechtigt, und zwar:
– das Studium wird in Teilzeit absolviert
– es wird keine klassische berufliche/schulische Ausbildung abgeschlossen (da sonst die Ausbildungen integriert betrachtet werden, also wieder in Vollzeit)
dies ist nur das praxisintegrierte oder berufsbegleitende duale Studium, welches in Teilzeit absolviert wird.