Ein Parteitag ist kein Tanzabend (Parteitagsnachlese)

Am Freitag Abend tanzte der Parteitag. Schöne Bilder vermutlich, weil alles schön friedlich. Am Sonntag Mittag musste die Debatte zur Satzung unterbrochen werden. Oder sollte ich besser schreiben vorläufig beendet werden? Die Zeit reichte nicht mehr aus, die Satzungsanträge alle noch zu behandeln.

Die Anfahrt zum Wahlprogrammparteitag nach Dresden gestaltete sich außerordentlich schwierig. Um pünktlich da zu sein bestieg ich den Zug um 8.53 Uhr ab Südkreuz – und kam bis Baruth. Dort erklärte die Bahn, es gäbe einen Oberleitungsschaden. Erst sollte die Lok von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn um den Zug zurück nach Berlin zu bringen. Von dort sollte es über eine Ersatzstrecke nach Dresden gehen. Wenig später allerdings war auch die Ersatzstrecke nicht mehr befahrbar und der Zug samt Passagieren stand und stand und stand. Die halbe Berliner Parteitagsdelegation und eine große Anzahl von Journalisten/innen war betroffen. Am Ende dauerte die Zugfahrt von Berlin nach Dresden von 8.53 Uhr bis 14.30 Uhr. Vielleicht reicht das ja für einen neuen Langsamkeitsrekord. Der Parteitag jedenfalls hatte bereits angefangen, als ich eintraf.

Im Mittelpunkt des Parteitages stand die Beschlussfassung zum Wahlprogramm. Obwohl ich es insgesamt für sehr gelungen halte, hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle doch eine andere Entscheidung gewünscht. Im Leitantrag, also dem Entwurf des Wahlprogramms, steht auf Zeile 83: „Das Hartz IV-System muss weg.“ Der Parteivorstand hatte bereits einen Antrag übernommen, der unmittelbar an diesen Satz anschließend lautet: „Stattdessen soll mittelfristig eine bedarfsdeckende, sanktionsfreie Mindestsicherung eingeführt werden.“. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass auf Zeile 249/250 nicht nur steht: Im ersten Schritt müssen die Sanktionen beseitigt und die Hartz-IV-Sätze auf 500 Euro erhöht werden.“ sondern bereits an dieser Stelle der Satz aus Zeile 583-585 erscheint: „Kurzfristig müssen die Hartz-IV-Regelsätze auf 500 Euro erhöht und die Sanktionen abgeschafft werden. Wir wollen ein Konzept einbringen, in dem keine Mindestsicherung mehr unter 1.050 Euro liegt.“ Ich fand, das wäre ein guter Kompromiss mit der BAG Hartz IV gewesen. So wäre klar gewesen, dass DIE LINKE sich einer Erhöhung der Regelsätze auf 500 EUR nicht verschließt soweit es von ihren Stimmen abhängt ob diese Erhöhung kommt und trotzdem die Forderung nach der Mindestsicherung in Höhe von 1050 EUR weiter verfolgt wird. Die Mehrheit hat nun anders entschieden. Das akzeptiere ich. Und ich glaube, die jetzige Formulierung kann nicht als Abkehr von der Forderung nach einer Mindestsicherung in Höhe von 1050 EUR gesehen werden. Bedauerlich ist aus meiner Sicht auch, dass ein Antrag -vermutlich bezogen auf Zeile 295- keine Mehrheit fand. Dieser Antrag wollte -sinngemäß- deutlich machen, dass DIE LINKE nicht nur einen Einstieg in eine Alternative zum Finanzkapitalismus will, sondern einen Einstieg in eine Alternative zum Kapitalismus. Ich hätte eine diesbezügliche Klarstellung begrüßt. Gefreut habe ich mich darüber, dass DIE LINKE dabei bleibt, dass sie nicht für einen Ausstieg aus dem Euro ist. Der Bereich Bürgerrechte und Demokratie war bereits im Vorfeld aus meiner Sicht sehr zufriedenstellend.

Richtig geärgert habe ich mich über die erneute Verschiebung und Beendigung der Satzungsdebatte. Und ja, ich bin immer noch sauer. Natürlich war am Samstag kein Platz für eine Satzungsdebatte, da sollte und musste das Wahlprogramm beschlossen werden. Das aber der Freitag nicht genutzt wurde um wenigstens mit der Satzungsdebatte anzufangen ist dann schon richtig ärgerlich. Ich habe nichts gegen einen Parteitagstanz, im Gegenteil. Wenn aber dieser Parteitagstanz am Ende dazu führt, dass erneut wichtige Fragen im Hinblick auf die Satzung nicht behandelt werden können, dann zeugt das in meinen Augen von wenig Respekt für die Arbeit die hier von vorwiegend ehrenamtlichen Genossen/innen geleistet wurde. Die Satzungskommission wurde im September 2008 (!!!) vom Bundesausschuss gewählt, sie hat 12 mal getagt und nach jeder Sitzung eine Sofortinformation verfasst, ihre letzte Sitzung war im Mai 2011. Bereits in Erfurt lagen die Anträge zur Satzung vor. Der Parteivorstand hatte sich ein Teil der Vorschläge der Satzungskommission zu eigen gemacht. Dieser Parteitag in Erfurt ist mittlerweile mehr als 1,5 Jahre her und es wurde ein neuer Parteivorstand gewählt. Schon hier ist die Frage, ob er die alten Parteivorstandssatzungsanträge geerbt hat oder ob er sie wieder neu entscheiden kann. Was passiert nun mit dem nächsten Parteitag? Muss der Parteivorstand wieder neu entscheiden, ob er die Vorschläge der Satzungskommission einreicht? Nach dem Parteitag in Erfurt wurden Debatten geführt, ob ein Extra-Satzungsparteitag einberufen werden soll. Auch ich war am Ende dagegen, weil mir ein dreitägiger Parteitag sinnvoller erschien um Wahlprogramm und Satzung zu behandeln. Ich dachte, das ist zeitlich hinzubekommen. War es wohl aber nicht, ein Parteitagstanz war wichtiger. Die tatsächlich am Sonntag noch beschlossenen Satzungsänderungen werden sicherlich bald nachlesbar sein, insofern muss ich sie hier nicht aufzählen. Einige wichtige Satzungsfragen sind offen geblieben, aber irgendwer wird sicherlich irgendwann auch noch dazu eine Entscheidung fällen. Es sei denn es ist wieder Tanzabend.

6 Replies to “Ein Parteitag ist kein Tanzabend (Parteitagsnachlese)”

  1. Hallo,
    mich würde interessieren, ob und wie über den Antrag, die Begrenzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz auf 40 Stunden zu einem Schwerpunkt im Bundestagswahlkampf zu machen, entschieden worden ist (Antrag des Landesverbands SH, Antragsheft 1).

    MfG

  2. wenn ich mich richtig erinnere wurde darüber nicht abgestimmt

  3. Auch über die Option eines Euro-Exit wurde nicht abgestimmt. Konsequent wäre hier ein Mitgliederentscheid. Frau Kipping stellt sich mit ihrer privaten Pro-Euro-Neigung u.a. gegen den eindeutigen Beschluss der PDS 1998.

  4. es wurde sehr wohl über die euro-passage im leitantrag abgestimmt

  5. Hallo Halina,
    lediglich eine allgemeine Erklärung, den Euro derzeit nicht aufgeben zu wollen, wurde abgegeben. In zwei, drei Jahren werden wir vielleicht alle darüber schmunzeln…

  6. Nun gut. Partei- und Gremienarbeit und Parteitage sind sicherlich nicht oder nicht immer jedermanns Sache. Wenn es dennoch gelingt, ein passables Programm zu verabschieden, kann man zufrieden sein. Vielleicht braucht es auch mehr großer Linien, als dass man alles versucht im Detail zu klären. Ich weiß, der Teufel steckt im Detail und es mag den einen oder anderen geben, der später nachkartet, weil ihm irgendetwas nicht gefällt oder gegen den Strich geht. Häufig sind es Irrtümer und Missverständnisse die dazu führen. Wichtig ist also, sich darüber im klaren zu werden, dass die Dinge unterschiedlich verstanden werden können. Dann geht man andere nicht an. Sondern klärt die Fragen.

    Wenn es in der besagten Zeile 249/250 heißt: “Im ersten Schritt müssen die Sanktionen beseitigt und die Hartz-IV-Sätze auf 500 Euro erhöht werden.”, dann ist aus meiner Sicht das Wichtigste zu erst genannt: Die Sanktionen müssen weg. Es ist einer zivilisierten Gesellschaft und seiner souveränen Bürger unwürdig, dass eine Behörde den Bürger für irgendwelche vermuteten oder unterstellten Handlungen mit der Entziehung der Grundsicherung strafen darf, kann und auch tut, ohne dass der Bürger über sofortig wirkende und aufschiebende Rechtsmittel gegen die Behördenentscheidung verfügt. Denn die sofortig wirkenden und aufschiebenden Rechtsmittel sind die eigentliche Waffe der Bürger gegen eine obrigkeitsstaatlich handelnde Behörde.

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