Es geht einiges durcheinander in der Debatte

  1. Pazifist*innen, verstanden als Menschen, die jede Anwendung von Gewalt ablehnen und damit aus Gewissensgründen auch jede Form von Krieg, lehnen auch die Verteidigung eines angegriffenen Staates mit militärischen Mitteln ab. In der Konsequenz nehmen Pazifist*innen in Kauf, dass Menschen im Rahmen eines Krieges oder einer Aggression brutal ermordet, gefoltert und verletzt werden.Ein so verstandener Pazifismus schließt die Anwendung des kollektiven Selbstverteidigungsrechtes aus, in diesem Punkt erkennt ein so verstandener Pazifismus die Normen des Völkerrechts nicht an.
  2. Das Völkerrecht sieht in Art. 51 UN-Charta das Recht auf kollektive Selbstverteidigung vor. (Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, … .“)
  3. Wer aus dem Völkerrecht ableitet, dass das dort verankerte Selbstverteidigungsrecht in bestimmten Fällen auch voraussetzt, dass dafür (Verteidigungs)Waffen erforderlich sind und geliefert werden müssen, ist kein*e Kriegstreiber*in oder Bellizist*in. Menschen die sich für Waffenlieferungen aussprechen nehmen in Kauf, dass durch die damit vorgenommene Selbstverteidigung Menschen ermordet oder verletzt werden.
  4. Es ist demnach so, dass sowohl Pazifisten*innen als auch Befürworter*innen von mit dem Selbstverteidigungsrecht begründeten (Verteidigungs)Waffenlieferungen in Kauf nehmen, dass Menschen ermordet, gefoltert oder verletzt werden. Sich das gegenseitig mit erhobenem moralischen Zeigefinger vorzuwerfen ist albern.
  5. Es gibt unter denjenigen, die Waffenlieferungen fordern auch Bellizisten*innen. Es gibt unter denjenigen die Waffenlieferungen ablehnen jede Menge Menschen, die nicht Pazifisten*innen sind, weil sie nur in einem konkreten Fall die Forderung nach Waffenlieferungen ablehnen, in anderen Fällen aber keine Probleme mit Waffenlieferungen hätten (oder hatten).
  6. Es ist falsch so zu tun, als hätte die russische Armee gegen die Wehrmacht gekämpft und gemeinsam mit amerikanischen, britischen und französischen Soldaten*innen Deutschland vom Faschismus befreit. Es war die Rote Armee und in dieser kämpften Menschen aus 14 weiteren sowjetischen Teilrepubliken. Ein Hinweis auf die deutsche Vergangenheit im Umgang mit Russland ist dann Geschichtsvergessen, wenn sie ignoriert, dass auch eine Verantwortung aus der Vergangenheit für die Ukraine und andere frühere Sowjetrepubliken besteht.
  7. Der Krieg in der Ukraine könnte sofort beendet werden: Wenn Russland als Aggressor sofort seine Truppen aus dem ukrainischen Gebiet zurückzieht.
  8. Es obliegt der angegriffene Bevölkerung (derzeit konkret die ukrainische Bevölkerung) zu entscheiden, was an Solidarität sie gegen den Aggressor Russland benötigt.

3 Replies to “Es geht einiges durcheinander in der Debatte”

  1. Hallo Halina,
    nur mal so am Rande gefragt, habe ich etwa die sozialistische Revolution in der Ukraine verpasst? Oder aber ernsthaft gefragt: Seit wann entscheiden Bevölkerungen in einem kapitalistischen Land? Zumal man im speziellen Fall noch nicht einmal von der EINEN Bevölkerung sprechen kann. Oder willst Du am Ende noch behaupten, dass es in der Ukraine keinen Russlandaffinen Bevölkerungansteil in Größenordnungen gab und gibt?
    Dieser Krieg ist nicht vom Himmel gefallen, er hat eine sehr lange Vorgeschichte auch in Form eines jahrelangen Bürgerkriegs im Osten des Landes und keine der beteiligten Seiten hat sich am Ende aus unterschiedlichen Gründen noch besondere Mühe gegeben, ihn zu verhindern.
    Du schreibst, dass dieser Krieg sofort beendet werden könnte, benennst jedoch ausschließlich Russland als Adresse. So wird das aber nicht funktionieren, dass solltest Du als gewiefte Politikerin doch wohl wissen. Und wenn Du schon die besondere Verantwortung Deutschlands ins Spiel bringst, dann ist das durchaus zu begrüßen. Aber dann hätte es sich für eine Linke auch gehört, die eigene Regierung für ihr elendes Ränkespiel gegenüber Russland (Minsk!) anzuprangern. Mit konstruktiven und auf Interessensausgleich bedachten Verhandlungen hätte dieser Krieg vermutlich verhindert werden können. Was jetzt dringend gebraucht wird, ist wieder mehr Realismus in der Politik und weniger Wunschdenken.
    Beste Grüße Dirk

  2. Es gäbe viel zu antworten, ich belasse es einfach davei, dass wenn ich von Bevölkerung sprach, die Ukrainischen Staatabürger*innen meinte.

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