Konstituierung des Bundestages und Art. 39 Abs. 3 GG

Wie funktioniert Destabilisierung der Demokratie und Empörungsbewirtschaftung? Das machen AfD und BSW gerade gemeinsam deutlich unter Bezugnahme auf Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG.

Entgegen aller juristischer Auslegungsmethodik und entgegen der Entscheidung des BVerfG vom 13. März 2025 wird verbreitet, dass nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG ein Drittel der Mitglieder des noch nicht konstituierten Bundestages eine Konstituierung erzwingen könnte, die dann vor der schon einberufenen Sitzung am 18. März stattfinden müsste.

Das ist aber falsch. Zur Auslegung von Gesetzen gibt es juristische Auslegungskriterien. Der Kanon umfasst vier Auslegungskriterien: Wortlaut (Grammatik), Teleologie (Sinn & Zweck), Historie und Systematik.

Schauen wir uns den Art. 39 GG also einmal an: Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf vier Jahre gewählt, seine Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages, für die Neuwahl gibt es einen frühestmöglichen und einen spätmöglichsten Termin, im Fall einer Auflösung muss die Neuwahl innerhalb von sechzig Tagen stattfinden (Abs. 1). Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tag nach der Wahl zusammen (Abs. 2). Der Bundestag bestimmt Schluss und Wiederbeginn seiner Sitzungen, der Präsident kann ihn früher einberufen und „Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen“ (Abs. 3).

Wenden wir nun die Auslegungsmethoden an.

  1. Der Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG spricht von „einem Drittel der Mitglieder“. Mitglied im Bundestag wird eine Person aber erst mit der Konstituierung des Bundestages, nicht vorher. Dies ist mittlerweile völlig unstrittig. In der Kommentarliteratur heißt es: „Die Rechte und Pflichten als Abgeordneter beginnen nicht schon mit der Wahl, sondern frühestens mit deren Annahme beim zuständigen Wahlleiter oder deren Fingierung. Die Abgeordnetenstellung bezieht sich immer auf eine Legislaturperiode. Die Wahlperiode beginnt mit dem Zusammentritt des neu gewählten Bundestages. Erst zu diesem Zeitpunkt rückt der Gewählte, auch wenn er die Wahl vorher angenommen hat, in die Stellung eines Abgeordneten ein.“ (Dreier/Morlok GG Art. 38 Rn. 144). Die wörtliche Auslegung spricht gegen eine Anwendung auf einen Neukonstituierungsfall, denn diejenigen die sich darauf berufen sollen, sind noch keine Abgeordneten.
  2. Teleologisch, nach dem Sinn und Zweck der Norm, soll der Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG dem Minderheitenschutz von –nach der wörtlichen Auslegung- „Mitgliedern des Parlaments“ dienen, die eine Sondersitzung erzwingen können sollen. Die teleologische Auslegung spricht gegen eine Anwendung auf den Neukonstituierungsfall, weil es noch keine Mitglieder des „neuen Parlaments“ gibt, können diese auch keine Sondersitzung beantragen. Zudem –nicht im konkreten Fall, aber im abstrakten- ist aufgrund mehrerer Optionen häufig bis zur Neukonstituierung auch noch nicht klar, wer Opposition ist.
  3. Historisch gibt es zumindest keine Anhaltspunkte dafür, dass etwas anderes als der konstituierte Bundestag gemeint sein soll (ich habe jedenfalls in der Kürze der Zeit nichts gefunden).
  4. Schließlich bleibt noch die Systematik. Aus dieser ergibt sich, dass der Absatz 3 nach dem Absatz 1 (Wahl) und dem Absatz 2 (Konstituierung) steht, also aus der Systematik der Norm eine Regelung für den Fall nach der Konstituierung trifft.

Im Ergebnis ist nach den juristischen Auslegungsmethoden festzuhalten, der Art. 39 Abs. 3 S. 3 GG für den zu konstituierenden Bundestag nicht anzuwenden ist.

Dies deckt sich mit der juristischen Literatur. Brocker in BeckOK geht ebenso wie Sachs/Magiera davon aus, dass der Art. 39 Abs. 3 GG nicht den ersten Zusammenstritt regelt, Huber/Voßkuhle/Schliesky und Jarrass/Pieroth schließen zudem eine analoge Anwendung aus (vgl. BeckOK GG/Brocker GG Art. 39 Rn. 14). Im Kommentar von Sachs/Magiera wird festgehalten, dass der Bundestag „im Anschluss an seinen ersten (konstituierenden) Zusammentritt (Art. 39 II)“ den Schluss und den Wiederbeginn seiner Sitzungen bestimmt (vgl. Sachs/Magiera GG Art. 39 Rn. 23). In einem weiteren Kommentar findet sich, dass die Vorschrift des Art. 39 Abs. 3 GG erst zum Tragen kommt, wenn ein Bundestag sich selbst konstituiert hat (vgl. v. Münch/Kunig/Groh GG Art. 39 Rn. 45). Ich habe keinen Kommentar gefunden, der irgendwie auch nur andeutet, der Art. 39 Abs. 3 S. 3 GG könnte sich auf die Konstituierung beziehen.

Auch das BVerfG sieht das in der oben zitierten Entscheidung so. Es sagt zunächst in Rn. 12, dass der neue Bundestag durch die Einberufung des alten Bundestages nicht an seiner Konstituierung gehindert wird und ergänzt: „Allein der neue Bundestag entscheidet über seinen Zusammentritt (vgl. Ritzel/Bü­cker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 1 GO-BT, I f) <Sep. 2010>) und damit das Erlöschen der Rechte und Pflichten des alten Bundestages.“ Das bestreitet Niemand. In der Rn. 15 benennt das BVerfG dann die Konditionen. Vorher sagt das BVerfG in Rn. 14 aber erst einmal explizit: „Nach Art. 39 Abs. 3 Satz 2 GG kann die Bundestagspräsidentin jedoch den alten Bundestag jederzeit einberufen. Dies gilt auch für eine Einberufung nach dem Wahltermin und innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 39 Abs. 2 GG (vgl. Groh, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2021, Art. 39 Rn. 47; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, 15. Aufl. 2022, Art. 39 Rn. 18). Beantragt ein Drittel der Mitglieder des Bundestages die Einberufung, ist die Präsidentin nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG hierzu verpflichtet. Eine politische Bewertung des Einberufungsverlangens steht ihr dabei nicht zu (vgl. Brocker, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 39 Rn. 27 <Dez. 2024>).“ Mithin bestätigt das BVerfG, dass bei Wunsch von ein Drittel der Mitglieder des alten Bundestages eine Einberufung stattfinden muss, ohne Ermessenspielraum der Präsidentin. Nun kommen wir zur Rn. 15: „Eine Pflicht zur Einberufung des neuen Bundestages vor Ablauf des 30. Tages nach der Wahl (Art. 39 Abs. 2 GG) setzte jedoch voraus, dass der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich dafür auf einen Termin verständigt hat.“  Das BVerfG sagt hier gerade nicht, dass ein Drittel der Vor-Abgeordneten den Willen zum Zusammentritt geäußert haben muss, sondern „der neue Bundestag“. Wenn das BVerfG hier etwas anderes hätte entscheiden wollen, dann hätte es nicht „der neue Bundestag“ geschrieben, sondern „Mehrheit des neuen Bundestages“ oder „ein Drittel der Mitglieder des neuen Bundestages“. Aus meiner Sicht spricht „der neue Bundestag“ und „Willen gebildet“ für Einmütigkeit, es kann aber auch als Mehrheit verstanden werden.

Wie könnte das nun geschehen? In einer analogen Anwendung des § 20 Abs. 1  Geschäftsordnung des Bundestages, wonach Termin und Tagesordnung jeder Sitzung im Ältestenrat vereinbart werden. Im Sinne dieser Regelung könnte der Vor-Ältestenrat den Termin und die Tagesordnung vereinbaren und den Willen „des neuen Bundestages“ bilden. So sieht das auch die Kommentarliteratur (vgl. BeckOK, a.a.O. mit weiteren Verweisen).

Die Sachlage ist eigentlich recht übersichtlich. Was BSW und AfD jetzt machen, ist eine Lösung zur Einberufung des Bundestages vor der Sitzung am 18. März zu propagieren, indem sie behaupten es müsste nur die Linksfraktion neben der AfD-Fraktion einen Antrag stellen, die es nicht gibt. Es wird Empörung produziert, weil eine weitere Fraktion (hier die Linksfraktion) nicht auch einen Antrag stellt. Das Ziel ist offensichtlich, im unterstellten Fall die Fraktion würden einen solchen Antrag stellen, könnte ihm nicht nachgegangen werden. Wieder Empörung. Im nächsten Schritt würde geklagt werden und die Klage hätte keinen Erfolg. Erneut Empörung.

Politisch und demokratietheoretisch ist der gesamte Vorgang der GG-Änderung mit dem „alten“ Bundestag zu kritisieren, juristisch ist er aber völlig legal. Die Verbreitung einer nicht umsetzbaren Option destabilisiert die Demokratie. Das ist schäbig.

 

11 Replies to “Konstituierung des Bundestages und Art. 39 Abs. 3 GG”

  1. Folgendes bekam ich bei FB:
    Heike Krahl
    Sie liegen falsch !

    Die LINKE könnte die Kriegskredite verhindern!
    Sie will es aber nicht!

    Facebook-Beitrag von Andreas Grünwald:

    Verhindert Die Linke die Hochrüstung oder lässt sie diese zu? – Die Sache scheint noch einfacher zu sein als ich heute Vormittag dachte. Die neue Linke-Fraktion müsste der Präsidentin des Bundestages einfach nur mitteilen, dass sie die sofortige Einberufung des neuen Bundestages verlangt. Sie müsste sich dazu mit keiner anderen Fraktion verständigen. Sie müsste es einfach nur tun. Da dann mehr als ein Drittel der neuen Bundestagsabgeordneten dies getan hätten, müsste der neue Bundestag sofort einberufen werden, und was gleichzeitig heißt, dass der alte Bundestag nicht mehr zusammentreffen dürfte und somit durch diesen auch das geplante Hochrüstungspaket nicht mehr beschlossen werden könnte. Ganz nebenbei würde damit auch eine größere Chance dafür erhalten bleiben demnächst vielleicht mal die Schuldenbremse zu kippen. Aber das ist nebensächlich. Wenn das, was ich hier schreibe, so stimmt, und es scheint so zu sein, und die Linke-Fraktion dies trotzdem nicht tut, dann macht sie sich damit mitschuldig an der geplanten Hochrüstung und Kriegsvorbereitung. Das wäre unverantwortlich.

    ***

    Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Art 39

    (1) Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages. Die Neuwahl findet frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt. Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl innerhalb von sechzig Tagen statt.
    (2) Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl zusammen.
    (3) Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.

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    Da andere Abgeordnete anderer Fraktionen dies nun schon nach Absatz 3 verlangt haben, wäre mehr als ein Drittel gegeben, wenn die Linke-Fraktion dies nun ebenfalls täte.

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    Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen zur Ablehnung von Anträgen diverser Fraktionen, darunter auch der Linke-Fraktion, darauf in den letzten Tagen explizit hingewiesen. Die Spitze der Linke-Fraktion ist über diesen Sachverhalt also genau informiert.

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    Inhaltlich müsste die Linke-Fraktion also nur wiederholen, was sie beim Verfassungsgericht schon beantragt hatte. Das Gericht hat sie dazu regelrecht aufgefordert. Wenn die Linke Fraktionsspitze dies nicht macht, dafür wäre ein Dreizeiler ausreichend, weiß sie also genau was sie tut.

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    Wäre damit irgendeine Form der Zusammenarbeit mit der AfD gegeben? Nein. Weil es diesbezüglich nicht die geringste Absprache mit dieser geben müsste. Aus einem parallelen Handeln mit einem eigenen Antrag kann dies aber nicht geschlussfolgert werden, denn dann hätte man ja auch nicht parallel beim Verfassungsgericht einen eigenen Antrag einreichen dürfen.

    ***

    Die Linke hat es also VOLLSTÄNDIG in der Hand ob das Hochrüstungspaket beschlossen werden kann, oder eben auch nicht.

  2. Das kenne ich. Es widerlegt halt nur nicht meinen Blogbeitrag.

  3. Sorry, aber das ist doch logischer Bullshit und ein Zirkelschluss. Wenn ein Drittel der neu gewählten Abgeordneten keinen früheren Beginn der Sitzungen – also DIE konstituierende Sitzung – auslösen können, weil sie noch nicht „konstituiert“ sind, würde diese Passage, wo ausdrücklich und abschließend von einem Drittel der Mitglieder die Rede ist – völlig sinnlos sein.
    Und welchen „Minderheitenschutz“ meint Wawzyniak denn, wenn sie der Drittel-Minderheit unter ihren „teleologischen“ Punkt genau diesen abspricht?
    Und noch abstruser wird der Hinweis, dass es bis „zur Neukonstituierung auch noch nicht klar (ist), wer Opposition ist.“
    Das ist doch völlig unerheblich, da es doch nirgends darum geht, dass das einfordernde Drittel einem gemeinsamen politischen Lager (künftige Regierung oder künftige Opposition) angehören muss.
    Es geht nur darum, dass ein Drittel der (noch nicht konstituierten, aber bereits feststehenden(!)) Abgeordneten einen früheren Sitzungsbeginn einfordern. Mehr steht in Bezug zur Zusammensetzung dieses Drittels nicht im Absatz 3, Artikel 39 GG drin.

  4. Zunächst würde ich es begrüßen wenn Sie sich nicht verbal aggressiv aufführen. Zudem, die Passage mit dem 1/3 ist nicht sinnlos, sie erlaubt abweichend von den sonstigen Sitzungen dieser Minderheit bei einem bereits konstituierten Bundestag Sondersitzungen einzuberufen. Die Legislatur der neu gewählten Abgeordneten beginnt erst mit der Konstituierung (vergleiche § 45 BwahlG), bis dahin sind es noch keine Abgeordneten. Richtig ist, dass die 1/3 nicht der gleichen politischen Richtung angehören müssen, muss Opposition aber auch nicht.

  5. Sehr geehrte Frau Wawzyniak, auch als Nicht-Jurist und (in die Jahre gekommener) Politikwissenschaftler sage ich Ihnen: Sie liegen falsch! Sie übersehen das (jederzeit gegebene) Selbstversammlungsrecht der Mitglieder des Bundestages. Mitglied eines neuen Bundestages ist man ab Annahme der Wahl und spätestens mit Bestätigung des Wahlergebnisses, und somit zieht bereits der Joker des Art. 39 III 3: „…wenn ein Drittel der Mitglieder … es verlangen“. Und genau dies ist es, worauf das BVerfG die Antragsteller der Vor-Fraktion Die Linke hingewiesen hat: „…dass der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich dafür auf einen Termin verständigt hat. Daran fehlt es hier.“ Bingo! daran fehlt es, weil die neuen Bundestagsmitglieder der Vor-Fraktion Die Linke diese Willenserklärung bei der treuhänderisch für den neuen Bundestag handelnden Bundestagspräsidentin nicht eingereicht haben! Tja, Chance vergeigt, würde ich meinen!

  6. Zitat:
    „Zudem, die Passage mit dem 1/3 ist nicht sinnlos, sie erlaubt abweichend von den sonstigen Sitzungen dieser Minderheit bei einem bereits konstituierten Bundestag Sondersitzungen einzuberufen.“

    Das ist Unsinn. Sie wollen ernsthaft behaupten, diese Regelung gilt für JEDE Sitzung – oder für Sondersitzungen? Davon steht nichts im Artikel 39. In diesem geht es um FRISTEN und einen ggf. FRÜHER zu erzwingenden Sitzungsbeginn, nicht um das OB einer Sitzung, wenn ein Drittel der Abgeordneten das will. Im übrigen widersprechen folgende Sätze dieser Annahme:
    „(2) Der Bundestag tritt spätestens am dreißigsten Tage nach der Wahl zusammen.
    (3) Der Bundestag bestimmt den Schluß und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen.“

    Welche Relevanz hätte die Frist von 30 Tagen für JEDE oder für Sondersitzungen? Es kann sich logisch nur um die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages handeln.
    Und es kann sich logisch auch nicht um die Abgeordneten der zu Ende gehenden Legislaturperiode handeln (mal ganz von der Frage abgesehen, welche es denn beim erstgewählten Bundestag hätten sein sollen), denn warum sollten „abgewählte“ Abgeordnete den Sitzungsbeginn des NEUEN Bundestages beeinflussen können/dürfen, wo sie ggf. gar keine Abgeordnete mehr sind?
    Und was wäre übrigens der SCHLUSS der BT-Sitzungen, wenn nicht die letzte Sitzung einer Legislaturperiode? Etwa die Uhrzeit einer beliebigen BT-Sitzung? Demzufolge bedeutet auch der „Wiederbeginn“ der Sitzungen die erste (konstituierende) Sitzung des neuen Bundestages.

    Zitat:
    „bis dahin sind es noch keine Abgeordneten.“

    Auch das stimmt nicht, da die neuen Abgeordneten namensgenau kurz nach der Wahl feststehen. Sie werden mit ihrer Wahl (Erststimme) oder Listenplatz zu Abgeordneten des künftigen Bundestages und nicht erst mit der konstituierenden Sitzung. Denn dort gibt es kein Ritual mehr, das sie zu Abgeordneten ernennt. Wie wird dann z.B. ein Austauschkandidat zum Abgeordneten? Dann müsste es ja extra für ihn auch eine „konstituierende Sitzung“ geben, nach der er erst Abgeordneter wird.

  7. Sehr geehrte Frau Wawzyniak, auch als Nicht-Jurist und (in die Jahre gekommener) Politikwissenschaftler sage ich Ihnen: Sie liegen falsch! Sie übersehen das (jederzeit gegebene) Selbstversammlungsrecht der Mitglieder des Bundestages. Mitglied eines neuen Bundestages ist man ab Annahme der Wahl und spätestens mit Bestätigung des Wahlergebnisses, und somit zieht bereits der Joker des Art. 39 III 3: „…wenn ein Drittel der Mitglieder … es verlangen“. Und genau dies ist es, worauf das BVerfG die Antragsteller der Partei und Vor-Fraktion Die Linke hingewiesen hat: „…dass der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich dafür auf einen Termin verständigt hat. Daran fehlt es hier.“ Bingo! daran fehlt es, weil die neuen Bundestagsmitglieder der Vor-Fraktion Die Linke diese Willenserklärung bei der treuhänderisch für den neuen Bundestag handelnden Bundestagspräsidentin nicht eingereicht haben! Tja, Chance vergeigt, würde ich meinen!

  8. Vielen Dank für Ihren Beitrag! Dieser Krimi hat mich dazu veranlasst, dann doch einmal das BVerG- Urteil zu lesen. Dabei bin ich dann über die von Ihnen angesprochenen Formulierungen gestolpert. Ihre Erläuterungen sind eine große Hilfe!

  9. Sie liegen an zwei Stellen falsch. 1. nach dem § 45 BwahlG wird das Mandat mit der Konstituierung erworben, vorher ist sind Gewählte keine MdB der jeweiligen Wahlperiode. 2. übersehen Sie, dass im Vorältestenrat für die „neue“ Fraktion Die Linke eine schnelle Konstituierung beantragt wurde, keine Mehrheit fand und deshalb überhaupt erst die Klage zustande kam.

  10. zunächst übersehen Sie, dass nach § 45 BwahlG die Gewählten erst mit der Konstituierung Abgeordnete werden. Zudem habe ich zum Verhältnis von Abs. 1 bis Abs. 3 im Blogbeitrag argumentiert, das zu wiederholen macht ja keinen Sinn. Die 30 Tage machen Sinn, damit kein Machtmissbrauch stattfindet und der neue Bundestag sich konstituiert auch wenn der „alte“ BT in seiner Mehrheit das nicht möchte. Die 1/3 im Absatz 3 beziehen sich auf den konstituierten, weil in 20 Abs. 1 GO BT und in der Praxis die Terminplanung (immer für 1 Jahr) im Ältestenrat verabredet wird. Wenn dann ein wichtiges unvorhergesehenes Ereignis Eintritt, die Mehrheit aber keine Sitzung in Abweichung vom Sitzungskalender wünscht, kann 1/3 diese Sitzung des bereits konstituierten BT erzwingen.

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