Unterschiedliche Welten

Nachdem durch die Zustimmung des Bundesrates das politische Verfahren Grundgesetzänderung Schuldenbremse/Sondervermögen politisch abgeschlossen ist (juristisch fällt bestimmt noch Leuten ein, wie sie das BVerfG völlig sinnlos beschäftigen können), lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen und daraus schlussfolgernd Aufgaben für Parteien, die an Politik interessiert sind (und nicht an der Aufrechterhaltung von Glaubenssätzen). Ich nehme mal ein Ergebnis vorweg: Es faszinierend und erschütternd zugleich, wie unterschiedlich die Welten oder zumindest die Wahrnehmung von Entscheidungen ist.

I. Die konkrete Änderung im Grundgesetz (GG)

Die konkrete Änderung ergibt sich aus der Beschlussempfehlung.

Im Art. 109 Abs. 3 GG wird ein neuer Satz 5 eingefügt:

„Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Verteidigungsausgaben, die Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten 1 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen. Die Gesamtheit der Länder entspricht Satz 1, wenn die durch sie erzielten Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Die Aufteilung der für die Gesamtheit der Länder zulässigen Kreditaufnahme nach Satz 6 auf die einzelnen Länder regelt ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates. Die nähere Ausgestaltung für die Haus-
halte der Länder regeln diese im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen. Bestehende landesrechtliche Regelungen, die hinter der gemäß Satz 7 festgelegten Kreditobergrenze zurückbleiben, treten außer Kraft.“

Weiterhin wird ein Art. 143h in das GG mit folgendem Wortlaut aufgenommen:

„(1) Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten. Zusätzlichkeit liegt vor, wenn im jeweiligen Haushaltsjahr eine angemessene Investitionsquote im Bundeshaushalt erreicht wird. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Investitionen aus dem Sondervermögen können innerhalb einer Laufzeit von zwölf Jahren bewilligt werden. Zuführungen aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds werden in Höhe von 100 Milliarden Euro vorgenommen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(2) Aus dem Sondervermögen nach Absatz 1 Satz 1 stehen den Ländern 100 Milliarden Euro auch für Investitionen der Länder in deren Infrastruktur zur Verfügung. Die Länder haben dem Bund über die Mittelverwendung Bericht zu erstatten. Der Bund ist zur Prüfung der zweckentsprechenden Mittelverwendung berechtigt. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates.“

Zusammengefasst heißt das:

– Ausgaben für Verteidigung, für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten sind -soweit sie 1% des Bruttoinlandsproduktes übersteigen- von der Schuldenbremse ausgenommen, müssen also nicht aus dem eigentlichen Bundeshaushalt bezahlt werden.

– Für die Bundesländer gilt nicht mehr, dass die Haushalte ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind, vielmehr gilt für die Gesamtheit der Länder, dass diese Einnahmen aus Krediten aufnehmen können, wenn die dadurch erzielten Einnahmen aus Krediten 0,35% im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Der Bundesrat muss dem Gesetz, in welchem die Aufteilung der für die Gesamtheit der Länder zulässigen Kreditaufnahme auf die einzelnen Länder geregelt wird zustimmen.

– Dazu gibt es ein Sondervermögen für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität, die ebenfalls nicht aus dem eigentlichen Bundeshaushalt bezahlt werden müssen. Davon bekommen die Bundesländer 100 Mrd. Euro, das die Deteils regelnde Bundesgesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass unter Verteidigungsausgaben die der Schuldenbremensausnahme dienen „die Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie die Ausgaben für die Nachrichtendienste im Einzelplan 14 (Bundesministerium der Verteidigung) veranschlagten Ausgaben, die im Einzelplan 06 (Bundesministerium des Innern und für Heimat) veranschlagten Ausgaben für den Zivil- und Bevölkerungsschutz und für das Bundesamt für Verfassungsschutz, die veranschlagten Ausgaben für den Schutz der informationstechnischen Systeme im Bundeshaushalt, die im Einzelplan 04 (Bundeskanzleramt) veranschlagten Ausgaben für den Bundesnachrichtendienst, sowie die im Einzelplan 60 veranschlagten Aufgaben für die Ertüchtigungshilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten des jeweiligen Haushaltsgesetzes“ fallen. Hinsichtlich der Zusätzlichkeit besagt die Begründung, dass diese „nur dann“ vorliege, wenn eine angemessene Investitionsquote vorliegt und das nur der Fall ist, „wenn der im jeweiligen Haushaltsjahr insgesamt veranschlagte Anteil an Investitionen 10 vom Hundert der Ausgaben im Bundeshaushalt ohne Sondervermögen und finanzielle Transaktionen übersteigt“ und das Nähere ein Bundesgesetz regelt. Zudem wird festgehalten, dass der Bund in Durchbrechung der grundgesetzlich vorgesehenen Zuständigkeitsordnung, ermächtigt wird, „Investitionen der Länder, die diese im Rahmen ihrer eigenen Aufgabenzuständigkeit tätigen, teilweise oder vollständig zu finanzieren.“

Damit ist auch klar, es bedarf zunächst einer einfachen Mehrheit im Bundestag um die ganze Angelegenheit praktisch werden zu lassen, aber an verschiedenen Stellen muss der Bundesrat zustimmen. Es wird keine reine Angelegenheit der Union und der SPD die Grundgesetzänderungen umzusetzen, zum Beispiel bei der Verteilung des Sondervermögens auf die Länder und im Hinblick auf die konkrete Regelung, dass insbesondere Wärme- und Energienetze aus dem Sondervermögen mitfinanziert werden können.

II. Beschlussempfehlung und Plenarprotokoll

Die unterschiedliche -manchmal auch in sich widersprüchliche- Positionierung der im Bundestag vertretenen Parteien wird bei einem Blick in die Beschlussempfehlung des Ausschusses und des Plenarprotokolls deutlich.

II.1. Union und SPD

Aus Sicht von Union und SPD hat sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Sicherheitslage in Europa dramatisch verändert, der Amtsantritt von Trump lässt nicht erwarten, dass sich „die existierenden geoökonomischen und sicherheitspolitischen Spannungen in der internationalen Politik verringern“. Da die USA ihr sicherheitspolitisches Engagement in Europa überprüfe und ihre Ukraine-Politik neu ausrichte, könnten auf Deutschland und Europa größere finanzielle Lasten zukommen. Die Herausforderung sei, die „Fähigkeiten der Landes- und Bündnisverteidigung deutlich zu stärken“. Die Gewährleistung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei eine staatliche Kernaufgabe. (Komplex 1). Die Länder und Kommunen haben nach den Krisen der vergangenen Jahre und „angesichts vielfältiger, zum Teil neuer, Herausforderungen“ große Finanzierungsbedarfe. Gennant werden insoweit ein funktionierendes und modernes Bildungs- und Betreuungssystem, der Strukturwandelprozess, Erhalt und Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung der Verwaltung, Anpassungen an den Klimawandel, Integration geflüchteter Menschen und Stärkung des Bevölkerungsschutzes (Komplex 2). Schließlich wird auf einen gesteigerten Investitionsbedarf im Infrastrukturbereich hingewiesen, der allerdings in engem Zusammenhang mit der „umfassenden Ertüchtigung der Verteidigungsfähigkeit“ gebracht wird. Die Investitionsbedarfe werde nach verschiedenen Studien auf einen mittleren bis hohen dreistelligen Milliardenbetrag in den kommenden zehn Jahren geschätzt, ein hoher Anteil des Investitionsbedarfs entfällt auf den öffentlichen Sektor. Um diese Bedarfe zu realisieren bedarf es mittelfristiger Planungssicherheit vor dem Hintergrund begrenzter öffentlicher wie privater Kapazitäten (Komplex III). Festgehalten wird, dass bis zu 100 Mrd. Euro aus den Kreditermächtigungen für das Sondervermögen für die „investive Ausrichtung der öffentlichen Haushalte der Länder und Kommunen“ vorgesehen sind.

L. Klingbeil erklärte für die SPD: „Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen seit über drei Jahren heldenhaft, auch für unser aller Freiheit. Und es ist in unserem eigenen Interesse, in unserem sicherheitspolitischen Interesse, dass sie diesen Kampf bestehen. (…) Europa steht heute auf der einen Seite neben einem aggressiven Russland und auf der anderen Seite neben unberechenbaren Vereinigten Staaten von Amerika.“

F. Merz argumentiert, dass  die Umstände vor allem von Putins Angriffskrieg gegen Europa bestimmt werden, es sei ein „Krieg gegen Europa und nicht nur ein Krieg gegen die territoriale Integrität der Ukraine. Es ist, (…) ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet“. Im Hinblick auf die Haushalte macht Merz deutlich: „Die mit der heutigen Änderung des Grundgesetzes möglich werdenden Investitionen in die Infrastruktur verringern auch nicht den Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte. Das Gegenteil ist richtig! (…) Eine steigende Verschuldung löst steigende Zinsen aus, und eine steigende Verschuldung ruft auch nach Tilgungsplänen, meine Damen und Herren. (…) Damit stehen der Bund, die Länder und die Gemeinden in den nächsten Jahren unter erheblichem Konsolidierungsdruck.“ Er wird auch noch konkret: „Von diesen15 Milliarden Euro Steuereinnahmen der Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen fließen 13 Milliarden Euro in die Sozialausgaben, (…) die die Gemeinden zum größeren Teil auf der Grundlage von bundesgesetzlichen Regelungen vorzunehmen haben. (…) Meine Damen und Herren, das kann so nicht bleiben! Wenn wir den Gemeinden in Deutschland wieder mehr Freiraum verschaffen wollen, dann müssen wir an diesen gesetzlichen Grundlagen etwas ändern.“

Verteidigungsminister Pistorius legte seine Sicht dar: „Russland stellt mit Abstand die größte Bedrohung für die europäische Sicherheit dar. Putin geht auch nach den Angeboten für Waffenstillstandsverhandlungen und anderem mit unverminderter Härte gegen die Ukraine und ihre Zivilbevölkerung vor. Auch seine öffentliche Reaktion auf die Verhandlungen in Dschidda macht deutlich, dass er keinen Frieden will – jedenfalls keinen, der nicht unter seinen Bedingungen stattfindet. Auch wenn derzeit über eine Waffenruhe diskutiert wird, meine Damen und Herren, bleiben der Ausgang dieses Krieges und die langfristige Sicherheit der Ukraine ungewiss. Deswegen wird es letztlich auf uns ankommen, auf uns Europäerinnen und Europäer. Wir müssen für unsere eigene Sicherheit und die unseres Kontinents sorgen, und zwar deutlich mehr, deutlich besser und deutlich geeinter als in den vergangenen Jahrzehnten.“ Das Finanzierungspaket stelle  sicher, dass die Verteidigungsfähigkeit gestärkt wird, ohne den gesell-schaftlichen Zusammenhalt zu gefährden.

A. Dobrindt für die CSU machte deutlich: „Wir werden unsere Sicherheit, wir werden unseren Wohlstand, wir werden unsere Art, zu leben, verteidigen – egal, wer sie bedroht, egal, ob von innen oder von außen: Wir werden
sie verteidigen, meine Damen und Herren.“ Es brauche Streitkräfte, „die in die Lage versetzt werden, eigenständig Schutz und Sicherheit für Europa und Deutschland zu organisieren“

II.2. Die Grünen

Die Grünen teilen die Ansicht, dass sich die Sicherheitsarchitektur fundamental geändert hat und die Gewährleistung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine staatliche Kernaufgabe ist. Die Begrenzung auf die Bundeswehr sei aber zu eng, „um den gesamtverteidigungs- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden“. Zum breiten Sicherheitsbegriff gehöre unter anderm auch der Ausbau nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, die Unter-
stützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, Maßnahmen der Auslandshilfe im Krisenfall, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung und der Schutz der informa-
tionstechnischen Systeme und der Infrastruktur.

B. Hasselmann machte stark, dass durch die Vereinbarung der Zusätzlichkeit „es nicht zu einem Verschiebebahnhof bei Ausgaben“ kommt. Weiter erklärte sie: „Meine Damen und Herren, das Wichtige ist angesichts der Weltlage, der Angriffe der Autokraten auf die freien Gesellschaften, auf die Demokratien (…): Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine, die Brutalität, die wir jeden Tag sehen, und die Abkehr von Donald Trump aus der europäischen Verantwortung erfordern, dass wir jetzt investieren, und zwar nicht nur in die Ertüchtigung der Bundeswehr – dies auch –, aber vor allen Dingen fundamental in unsere Sicherheitsarchitektur insgesamt.“

II.3. FDP

Die FDP teilt die Grundannahme, dass angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und des Amtsantritts der neuen US-Regierung die mit der „Zeitenwende“ eingeleitete Stärkung der Fähigkeiten der Bundeswehr vertieft
und fortgeführt werden müssen. Allerdings sollen nach Ansicht der FDP die 
weiterhin bestehende NATO-Fähig-keitslücken aus dem Kernhaushalt geschlossen werden, wozu in diesem umgeschichtet werden müsse. Aus ihrer Sicht sollen deshalb „neue Schulden und Sondervermögen nur genutzt werden, wenn die bestehenden Ziele aus dem Kernhaushalt gedeckt sind.“

In der Debatte kam  C. Dürr zum Ergebnis: „Die Finanzarchitektur unseres Landes wird fundamental geändert. Die Schuldenbremse war kein Hindernis für Fortschritt; die Schuldenbremse war eine Versicherung für die kommende Generation.“ Er sah den Anfang einer hemmungslosen Schuldenmacherei und wirft Merz (ernsthaft, ken Scherz) vor, er wolle nicht in die Zukunft investieren, sondern „in einen ausufernden Sozialstaat“. Der Haushaltspolitiker O. Fricke sah in der Beschlussfassung der „weitreichendsten Finanzverfassungsänderungen, die die Bundesrepublik Deutschland jemals gehabt hat. Wir werden sehr stark systematisch hineingehen; wir werden eigentlich die Schuldenbremse beenden.“ Der Abgeordnete Schäffler bestätigte noch einmal  „Wenn diese Verfassungsänderungen beschlossen werden, ist die Schuldenbremse tot.“

II.4. AfD

Die AfD hatte zunächst keine inhaltliche Position und bracht vorwiegend Verfahrenskritik vor, erklärte aber auch, dass die „Ausnahmen von der Schuldenregel (…) zu einer Umgehung der drängenden Konsolidierungserfordernisse
des Bundes“ führe. Weiter heißt es: „Ein Staat, der nicht gewillt sei, seine Kernaufgaben dauerhaft aus den Einnahmen zu finanzieren, lebe über seine Verhältnisse.

T. Chrupalla erläuterte, dass durch die Bundeswehr die Landesverteidigung nicht sichergestellt werden kann und gab den Ratschlag, wenn gemeint wird, mit Trump sei der einzige ausländische Partner verloren gegangen, solle „man sich eben nicht einseitig orientieren“. Es brauche keine Kriegstüchtigkeit und es werde „planlos die Staatsverschuldung in den Himmel getrieben“. T. Espendiller verstärkte die schon in der Beschlussempfehlung dargestellte Position der AfD: „Auch die Verteidigungsausgaben müssen aus dem regulären Haushalt bestritten werden, wenn wir effizient und verantwortungsvoll wirtschaften wollen.“

II.5. Linke

Die Gruppe Die Linke übte zunächst auch Verfahrenskritik und erweiterten diese um den Aspekt, dass das Festhalten an der Schuldenbremse zentrales Wahlkampfversprechen der CDU/CSU und ihres Kanzlerkandidaten gewesen sei und die Union und der Kanzlerkandidat die Wählerinnen und Wähler getäuscht habe. Jahrzehnte der Aufrüstung hätten Europa nicht sicherer gemacht. „Die für Europa von den 1970ern bis in die 1990er Jahre errichtete Sicherheitsarchitektur sei durch das Kündigen von Verträgen wie dem ABM-Vertrag, dem KSE-Vertrag, dem INF-Vertrag und dem Open-Skies-Vertrag sowie durch die politische Blockade des AKSE-Vertrages und des Meseberger Memorandums zerstört worden. Die parallel dazu laufende Aufrüstung der Armeen in Europa und Nordamerika habe die Sicherheitslage nicht verbessert“. Es wird bescheinigt, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen habe. Die angebliche „fundamentale Veränderung der Sicherheitsarchitektur“ sei allerdings das Ende der Verträge über Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung von 2001 bis 2021“, eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr mit gigantischen Summen löse kein Problem. Es wird argumentiert, „durch die steigende Schuldenlast würden Sozialausgaben im Kernhaushalt noch stärker unter Druck geraten“.  Damit die EU-Friedensmacht werde, reichen die aktuellen Verteidigungsausgaben aus. Ein Sondervermögen könne grundsätzlich sinnvoll sein, dies treffe aber nicht auf die Verknüpfung mit der „Ertüchtigung der Verteidigungsfähigkeit“ zu, weshalb diese abglehnt werde. Zudem sei das Zusätzlichkeitskriterium so niedrig angesetzt, „dass es der voraussichtlich künftigen Bundesregierung Ausgabespielräume in Milliardenhöhe für Klientel-Geschenke eröffne.“  Es wird betont: „Die Schuldenbremse habe Deutschland kaputtgespart, dringend notwendige Investitionen verhindert und diene als Vorwand für Sozialstaatsabbau.“ Die Schuldenbremse müsse ersetzt werden, im Übrigen sollte eine gerechtere Besteuerung stattfinden, „die niedrige und mittlere Einkommen entlaste und gleichzeitig Reiche stärker an den Ausgaben des Staates beteiligt.“ Die Lockerung „der Schuldenbremse auf Länderebene ebenso wie der Anteil aus dem Sondervermögen für die Länder (sei) unzureichend.“

Für Die Linke erklärte S. Pellmann es werden „mit einer gigantischen Aufrüsungsverschuldung die Probleme von morgen“ geschaffen, heute dadurch das „Angast vor Krieg und Bedrohung“ geschürt werde. Beim Schuldenmachen auf Kosten der arbeitenden Menschen würde sich Merz „der schändlichen Kumpanei von SPD und Grünen erfreuen“. Es solle ein „Blankoscheck für die unbegrenzte Aufrüstung ins Grundgesetz“ geschrieben werden und „Aufrüstung und Militarisierung in nie gekanntem Ausmaß stattfinden“. Im Hinblick auf das Sondervermögen argumentiert er, es werde Verantwortung für Infrastruktur, Klima und die Länder nur vorgespiegelt, dieses sein nur hinterhergeschoben worden, „um sich die Zustimmung für Ihre Kriegstauglichkeitsverschuldung einkaufen zu können“, Baukonzerne seien schon heute beglückt über ide Möglichkeit von Profitgewinnen durch Preissteigerungen bei öffentlichen Aufträgen. Er ruft aus: „Wer diesen Gesetzesänderungen heute zustimmt, (…)  stimmt nicht nur für das größte Rüstungspaket, sondern auch für den absehbar größten Angriff auf unseren Sozialstaat, den die Republik je gesehen hat.“

II. 6. BSW 

In der Beschlussempfehlung findet sich keine Stellungnahme des BSW, entweder wurde sie nicht abgegeben oder es war Niemand da.

S. Wagenknecht erläuterte die Position, die sich aus der Beschlussempfehlung nicht ergab, Sie sagte: „Es ist Ihnen völlig egal, was das für die Menschen in Deutschland bedeutet – völlig egal, ob im Ergebnis noch mehr alte Menschen in Armut leben werden, völlig egal, ob noch mehr Unternehmen pleitegehen (…)  oder noch mehr Familien an Geldsorgen zerbrechen. Hauptsache, man hat sich geeinigt, und sei es auf den größten Schwachsinn.(…)  Weil Sie mit der AfD nicht reden wollen, (…).“ Weil die „kriegsverrückten Grünen es unbedingt wollen“ würde Deutschland jetzt die Ukraineverhandlungen mit zusätzlichen 3 Milliarden Euro an Waffenlieferungen boykottieren. Das sei kurz „vor Schluss noch mal maximal Öl ins Feuer gießen und hoffen, dass der Russe nicht reagiert, (…) und, wenn doch, dann können Sie Ihre Klimaziele auf verstrahlten Ruinen weiterverfolgen.“ Danach widmete sich den 9.500 fehlenden Stimmen für den Wiedereinzug in den Bundestag und ihre Gruppe hielt noch ein paar Schildchen hoch.

II.7. Unterschiedliche Welten

Es prallen völlig verschiedene Welten aufeinander. Die einen sehen in Putin und Russlands Angriffskrieg die größte Bedrohung, die anderen finden es solle sich nicht einseitig orientiert werden. Dann kommen noch die, die behaupten eigentlich seien Vertragskündigungen Schuld an der Situation und die, die finden das Russland maximal provoziert wird.

Die einen meinen die Verteidigungsfähigkeit sei dicke gegeben, andere bezweifeln das. Die einen glauben, eigentlich könnte alles über den „normalen“ Haushalt abgewickelt werden, andere sehen keine andere Wahl als die Änderung des GG.

Die einen finden die Schuldenbremse ist mit der Änderung Tod und sei sei abgeschafft worden, andere finden sie müsse ersetzt werden.

Die Linke findet einerseits dass die Schuldenbremse als Vorwand für Sozialabbau diene und gleichzeitig ein Schuldenmachen auf Kosten der arbeitenden Menschen stattfinde, es sei sogar der größte Angriff auf den Sozialstaat (und ich dachte immer das sei Hartz IV gewesen).

III. Was bedeutet Politik?

In der luxeriösen Position der Beobachterin der Debatte, die sich gar nicht für die eine oder andere Position entscheiden muss und damit auch keinem Abstimmungsdruck unterliegt ist folgendes interessant:

Als Ablehnung der GG-Änderung gibt es zwei Argumenationsstränge: Die Schuldenbremse sei super, die Angelegenheiten sollen aus dem  „nomalen“ Haushalt bezahlt werden und es ginge eigentlich mit der GG-Änderung um „Kriegsvorbereitung“ oder Aufrüstung. (Die „Spitze“ der Bewegung ist dabei das autoritäre BSW, welches geschichtlos einen Vergleich mit Kriegskrediten 1914 vornimmt, als hätte damals nicht Deutschland ein Land überfallen und ohne zu sagen, welcher Krieg eigenrlich von Deutschland vorbereitet wird.).

Keine Gründen scheinen zu sein: das Verfahren ist politisch nicht legitim (wenn auch juristisch legal) oder die Umsetzung der GG-Änderungen im Parlament finde mit einfacher Mehrheit statt und der neuen Koalition sollen nicht solche Vollmachten gegeben werden oder in einer Abwägung wird festgstellt, das Geld für Klima und Länder sei nicht ausreichend. Es gibt auch noch das Ablehnungs-Argument die historische Chance für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse wurde vertan, weil nicht auf die die Konstituierung des neuen Bundestages gewartet wurde, wo es andere GG-Mehrheiten gegeben hätte. Aus der Beobachter*innen-Perspektive ist interessant, dass nicht wenige Vertreter*innen dieser These gleichzeitig sagen, einer Aufrüstung würden sie NIE zustimmen. Da frage ich mich, wie die grundlegende Reform hätte geschehen sollen, denn es ist bestenfalls naiv davon auszugehen, eine grundlegende Reform der Schuldenbremse würde geschehen, ohne dass die Union dafür auch etwas bekommt.

Auch die Befürworter*innen-Seite ist sehr einseitig. Sie stellt vor allem auf die notwendige Verteidigungsfähigkeit ab. Es könnte aber auch gesagt werden, dass die Möglichkeit der Länder von der Schuldenbremse abzuweichen, diesen neue Spielräume für ihre Haushalte eröffnet. Es könnte auch argumentiert werden, dass das zusätzliche Sondervermögen Investitionen ermöglicht, die (unter Beachtung der Argumentation zur grundlegenden Reform der Schuldenbremse) so nicht möglich gewesen wären, aber dringend notwendig sind. Es könnte auch die Debatte um Soziales aufgegriffen werden mit dem Hinweis -obwohl F. Merz es in der Debatte wieder gesagt hat- das Argument angeblich seien Sozialkürzungen auf Grund mangelnden Geldes nötig, ist nun nicht mehr begründbar. Dann wird nämlich klar, dass es zur Agenda der Union gehört, Sozialabbau zu betreiben und der Haushalt nur ein vorgeschobenes Argument ist.

Politik wäre aus meiner Sicht nun, zum einen ganz genau zu schauen, was mit dem erweiterten Verteidigungsbegriff finanziert wird und dort insbesondere zu schauen, dass es um Verteidigung und nicht um Angriff geht. Das da mehr als der Verteidigungshaushalt angeschaut werden muss, steht schon in der Begründung. Gleichzeitig muss die parlamentarische Mitbestimmung gesichert werden, was die Ausgaben jenseits des Bundeshaushalts angeht.

Es wäre aber mE auch angebracht, konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen, was mit dem Sondervermögen finanziert werden soll. Mit konkreten Vorschlägen lässt sich viel mehr Druck ausüben, als mit allgemeinen schlauen Hinweisen.

Schließlich bleibt noch die konkrete Aufgaben, die Verteilung des Sondervermögens und der Krediteinnahmen an die Bundesländer fair zu gestalten,  so das nicht ein Bundesland bevorteilt oder benachteiligt wird. Da entsprechende Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, könnte es passieren, dass das eintritt was institutionell eigentlich auch so vorgesehen ist: Länderinteressen können von Parteiinteressen divergieren.

Wichtig wäre, sich die weiteren „Umsetzungsgesetze“ genau anzuschauen und darauf zu achten, dass keine „Umgehungsgesetze“ beschlossen werden.

Und im Übrigen: Wenn Linke und Grüne im BT an der einen oder anderen Stelle eng zusammenarbeiten (gerade auch im Hinblick auf die Fragen wo die Zustimmung des Bundesrates erforderlich wird) wird es insbesondere für die Union auch schwieriger Dinge umzusetzen oder zu unterlassen.

 

 

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