Praktische Anwendung der halben Sonnebornregelung durch das BVerfG

Noch 2009 gab es für Parteien die vom Bundeswahlausschuss nicht zur Bundestagswahl zugelassen wurden keine Rechtsschutzmöglichkeit vor der Bundestagswahl gegen diese Entscheidung. Im Jahr 2013 ist das anders.

Am 20.11.2011 legte die Fraktion DIE LINKE den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Rechtsschutzes im Wahlrecht durch Einführung der Sonneborn-Regelung vor. DIE LINKE schlug damals vor, in § 49 BWahlG einen Absatz 2 einzufügen, mit dem gegen die ablehnende Entscheidung der Anerkennung einer Vereinigung als Partei durch den Bundeswahlausschuss die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht möglich sein sollte, bei der Ablehnung der Zulassung von Kreiswahlvorschlägen oder Landeslisten sollte der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein. Nach § 48a BVerfGG sollte die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht binnen drei Tagennach der Bekanntgabe der Entscheidung des Bundeswahlausschusses möglich sein. Die  halbe Sonnebornregelung aller anderen Parteien außer der LINKEN vom 24.04.2012 wurde schließlich Gesetz. Damit wurde in § 18 BWahlG ein neuer Abs. 4a eingeführt, nachdem binnen vier Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung des Bundeswahlausschusses Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht musste nun am 23. Juli 2013  nunmehr die Regelung anwenden und hatte in 12 Beschwerdefällen zu entscheiden.

In einigen Fällen war die Entscheidungsfindung nicht so schwierig, denn die Beschwerdeführer hatten die Frist von vier Tagen nicht eingehalten oder andere formale Fehler begangen. Eigentlich interessant sind aber die Entscheidungen, die sich mit der Parteieigenschaft nach Art. 21 GG und § 2 ParteienG bzw. den Voraussetzungen des § 18 BWahlG auseinandersetzen. Der § 18 Abs. 2 BWahlG stellt im Hinblick auf die Beteiligungsanzeige u.a. die Anforderungen

  • „anzugeben, unter welchem Namen sich die Partei an der Wahl beteiligen will“ ,
  • die Unterzeichung der Anzeige durch  drei Mitgliedern des Bundesvorstandes, darunter dem Vorsitzenden oder seinem Stellvertreter, persönlich und handschriftlich
  • Beifügung der schriftliche Satzung und des schriftlichen Programms der Partei
  • Nachweis über die satzungsgemäße Bestellung des Vorstandes
  • Nachweise über die Parteieigenschaft nach § 2 Absatz 1 Satz 1 des Parteiengesetzes

Der § 2 Abs. 1 ParteienG lautet: „Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.

Bei den 12 Entscheidungen sind im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen nur zwei wirklich interessant. Nach der Entscheidung 2 BvC 4/13 reicht eine Mitgliederzahl von 8 Parteimitgliedern und die Existenz nur eines Bundesverbandes nicht aus, um die Parteieigenschaft zugesprochen zu bekommen. Das BVerfG meint insoweit: „Nach der Zahl ihrer Mitglieder und ihrem Organisationsgrad ist sie derzeit nicht imstande, auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen.“ In der Entscheidung 2 BvC 13 wurde die Entscheidung des Bundeswahlausschusses aufgehoben und die Beschwerdeführerin als wahlvorschlagsberechtigte Partei anerkannt. Diese Partei hat 42 Mitglieder, einen Bundesvorstand und sechs Landesverbände.  Die Existenz von sechs Landesverbänden spreche -so das BVerfG- für eine organisatorische Verfestigung, ein Internetauftritt und Verteilung von Werbematerialien erfüllen das Kriterium „Hervortreten in der Öffentlichkeit“. Das die Partei lediglich 42 Mitglieder habe, stehe der Einordnung als wahlvorschlagsberechtigte Partei nicht entgegen.  Die Mitgliederzahl fließt lediglich als ein Faktor in die erforderliche Gesamtbeurteilung der Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung ein. Bei einer Partei in der Gründungsphase kann insoweit lediglich verlangt werden, dass sie von einem Mitgliederwechsel unabhängig ist. Bei 42 Mitgliedern liegt noch nicht auf der Hand, dass ein Austritt einer größeren Gruppe zugleich zu Auflösung der Beschwerdeführerin führen müsste.“

Das BVerfG hat also die in meinen Augen sehr interpretationsbedürftigen Kriterien eine Partei ausgelegt. Das der Schwerpunkt der Entscheidungen auf der organisatorischen Festigkeit einer Partei liegt, lag an den Beschwerden. Grundsätzlich gilt für mich aber -das ist eine ganz persönliche Meinung- das über die Voraussetzung eine Partei zu sein um sich an der Wahl beteiligen zu können, nachgedacht werden muss.  Es wäre aus meiner Sicht denkbar, dass nicht nur Parteien zur Bundestagswahl antreten können, sondern auch Wählervereinigungen. Eine Wählervereinigung wäre  ein Zusammenschluss von mindestens sieben natürlicher Personen, welche über eine Satzung, einen Vorstand und ein Programm für die anstehenden Wahlen verfügt.  Und wenn irgendwann mal gründlich nachgedacht wird, wäre es vielleicht auch angebracht darüber nachzudenken, ob die interpretationsfähigen Kriterien in § 2 Abs. 1 ParteiG  („… wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.“) wirklich festgehalten werden soll.

Ob eine Partei als Partei Erfolg hat, das entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler.

3 Replies to “Praktische Anwendung der halben Sonnebornregelung durch das BVerfG”

  1. Naja, irgendewann werden die Wahlzettel unübersichtlich 😉

  2. Die Institution Bundeswahlausschuss gehört abgeschafft.
    Jede Partei sollte m.E. zwei Kriterien erfüllen:

    – mindestens 3 Mitglieder (Stichtag 3 Monate vor der Wahl)
    – Wahl des Parteivorstands alle zwei Jahre (demokratische Verfasstheit)

    Den Rest sollte man den Wählern überlassen.

  3. die institution bundeswahlausschuss ist tatsächlich nicht so ganz einfach. in meinem eigenen vorschlag -der in der fraktion nicht mehrheitsfähig war- hatte ich für die zulassung von parteien zur wahl nur rein formale kriterien vorgeschlagen, die entscheidung sollte der bundes- bzw. die landeswahlleiter treffen. ist vielleicht nicht das gelbe vom ei, aber was besseres ist mir nicht eingefallen.

    die von dir aufgestellten kriterien wären mir nun ein wenig zu wenig. die im ausgangsbeitrag genannten kriterien für eine wählerveinigung könnten m.e. auch auf parteien angewendet werden: 7 leute, satzung, vorstand & (wahl)programm.

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