Versammlungsrecht und Eintrittsgelder

Wann ist eine Versammlung eine Versammlung? Juristisch ist dies nach dem jüngsten Nazi-Konzert eine wieder aufgeworfene interessante Frage.

Das VG Meiningen zum Beispiel fand am 3. Juli, trotz der Erhebung von Eintrittsgeldern handelt es sich um eine Versammlung. Diese „Versammlung“ war nun aber eines der größten Nazi-Konzerte. In der Begründung klingt immer wieder eine Bezugnahme zum Urteil des BVerwG zur Fuckparade an. Bevor ich darauf kurz eingehe, will ich aber noch darauf verweisen, dass das BVerfG in seiner Entscheidung zur sog. Fuckparade ausgeführt hatte:

„Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird jedoch nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen.“

Das BVerwG sah dies allerdings anders.
„Enthält eine geplante Zusammenkunft von Personen Elemente, die sowohl auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die anderen Zwecken dienen, ist sie als Versammlung im Sinne des Grundgesetzes und des Versammlungsgesetzes zu behandeln, wenn die anderen Zwecke nicht aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters erkennbar im Vordergrund stehen.“
Nur zur Sicherheit -und um (gewollte) Missverständnisse zu vermeiden- schreibe ich ganz deutlich: Nazi-Konzerte ebenso wie Nazi-Demonstrationen sollten auf breitestmöglichen zivilen gesellschaftlichen Widerstand treffen. Mit diesem zivilgesellschaftlichen Widerstand inklusive passiver und friedlicher Sitzblockaden sollte das klare Signal ausgesendet werden, dass Nazis nicht gewollt sind.
Allerdings zählt zur Demokratie auch, dass solch widerwärtige Gestalten wie Nazis Versammlungen und Demonstrationen abhalten können. Ein Versammlungsrecht, das auf Grund einer bestimmten Gesinnung eine Versammlung verbietet, wäre kein demokratisches Versammlungsrecht.
Die aufgeworfene entscheidende juristische Frage im Hinblick auf den Schutz des Nazi-Konzertes unter Bezugnahme auf Art. 8 GG hat Heribert Prantl aus seiner Sicht beantwortet. Eine Demo, die Eintritt verlangt, ist keine Demo. Das VG Meiningen sah dies aber anders:
„Die Erhebung von Eintrittsgeldern lässt das Merkmal der Öffentlichkeit nicht entfallen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2010, a. a. O.) Deshalb kann dahingestellt bleiben, inwieweit es zutrifft, dass der Antragsteller, so wie er vorträgt, im Vorfeld der Veranstaltung >Eintrittsgelder< lediglich über einen internen Kreis zur Finanzierung der Unkosten eingenommen haben will und nicht die Absicht verfolgt habe, den Zugang der Veranstaltung von der Bezahlung eines Eintrittsgeldes abhängig zu machen.“
Bei der Bezugnahme auf das Urteil aus Baden-Württemberg handelt es sich um ein aufgelöstes Skinhead-Konzert.
Soweit ich das sehe, hat sich das BVerfG noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob das Verlangen von Einritt mit Art. 8 GG und dem Versammlungsbegriff vereinbar ist. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob ich mir das derzeit wünschen sollte. Ich befürchte nämlich, das BVerfG würde diese Frage mit „ja“ beantworten und damit einer weiteren Kommerzialisierung des Versammlungsrechts den Weg bereiten. Ich habe mich hier bereits mit den jüngsten Entscheidungen des BVerfG zur Frage Protestcamp in Hamburg auseinandergesetzt. Meine zentrale Kritik war, dass das BVerfG mit dem Hinweis auf die fehlende öffentliche Zugänglichmachung des Parks während des Protestcamps, den Schäden für den Park und dem Hinweis auf die bei einer Sondernutzung fällig werdende Kaution den Weg eröffnet, das Versammlungsrecht restriktiv anzuwenden. Meine Kritik war, dass zukünftig entweder auf die Sondernutzungserlaubnis verwiesen werden kann oder gar von Demonstrationsanmelder*innen eine Kaution gefordert werden könnte. Das wäre  das Ende der Versammlungsfreiheit, weil diese dann von der Größe des Geldbeutels abhängig wird. Wenn höchstrichterlich auch noch festgestellt werden sollte, dass eine Veranstaltung unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fällt, wenn Eintrittsgelder erhoben werden, dann wird Demonstrieren am Ende doch eine Frage des Geldbeutels.

 

Ich denke, Artikel 8 GG lässt es nicht zu, dass unter den Versammlungsbegriff eine Veranstaltung fällt, bei der Eintritt erhoben wird. Integraler Bestandteil des Versammlungsbegriffs ist es, dass Menschen ungehindert zusammenkommen um ihre Meinung zu äußern. Versammlungsfreiheit wiederum ist unabdingbarer Bestandteil des Rechtsstaates. Wenn aber die Teilnahme an einer Veranstaltung, die der Versammlungsfreiheit des Artikel 8 GG unterfallen soll, von der Bezahlung eines Geldbetrages abhängig gemacht werden kann, dann wird das Demonstrationsrecht langsam aber sicher seines Kerns beraubt. Irgendwann wird dann nämlich das Bezahlen von Eintritt die Voraussetzung für eine Demonstrationsteilnahme und damit Demonstrieren zu einem Recht derjenigen, die Geld haben.

Was heißt das jetzt konkret? Muss das Versammlungsrecht präzisiert werden? Wenn das BVerfG entscheiden würde, dort wo Eintritt verlangt wird, liegt keine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG vor, bräuchte es keine Änderung im Versammlungsrecht. Das Versammlungsrecht selbst ist seit der Föderalismusreform 2006 in Länderhoheit übergegangen. Der Landesgesetzgeber könnte im jeweiligen Versammlungsgesetz einen Satz verankern, der ungefähr so lautet:

„Nicht unter dieses Gesetz fällt eine öffentlich Veranstaltung, bei welcher der Zutritt nur gegen Zahlung eines Geldbetrages möglich ist.“

Wäre dann damit aber so etwas wie das Nazi-Konzert zu verhindern? Vermutlich eher nicht. Wenn so ein Rechtsrock-Konzert keine Demonstration ist, dann müsste für seine Durchführung eine Sondernutzungserlaubnis beantragt werden. Soweit ich das verstanden habe, fand das Nazi-Konzert in Thüringen auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche statt. Demnach dürfte, unterstellt es handelt sich nicht um eine Demonstration, der § 42 OBG (Ordnungsbehördengesetz) Thüringen einschlägig sein. Nach dessen Abs. 3 Ziffer 3 müsste ein solches Konzert genehmigt werden, da es sich um eine Veranstaltung handelte, die in einer nicht dafür bestimmten Anlage stattfand und mehr als eintausend Besucher zulassen wollte. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des VG Meiningen waren 1.500 Eintrittskarten verkauft, der Preis lag bei 30 EUR pro Karte. Eine solche Erlaubnis wäre nach Absatz 4 zu versagen, wenn es zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich erscheint oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Ob eine Versagung nach § 42 OBG wirklich möglich ist, hängt also davon, ob zu erwarten ist, dass gegen die Gesamtheit der geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen verstoßen wird. Ist davon auszugehen, dass Straftaten begangen werden, wäre eine Versagung nach § 42 OBG möglich. Werden während der Veranstaltung mit Sondernutzungserlaubnis Straftaten begangen, müsste gegen die Straftäter*innen auch vorgegangen werden.

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