Wann ist eine Versammlung eine Versammlung? Juristisch ist dies nach dem jüngsten Nazi-Konzert eine wieder aufgeworfene interessante Frage.
Das VG Meiningen zum Beispiel fand am 3. Juli, trotz der Erhebung von Eintrittsgeldern handelt es sich um eine Versammlung. Diese „Versammlung“ war nun aber eines der größten Nazi-Konzerte. In der Begründung klingt immer wieder eine Bezugnahme zum Urteil des BVerwG zur Fuckparade an. Bevor ich darauf kurz eingehe, will ich aber noch darauf verweisen, dass das BVerfG in seiner Entscheidung zur sog. Fuckparade ausgeführt hatte:
„Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird jedoch nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen.“
Ich denke, Artikel 8 GG lässt es nicht zu, dass unter den Versammlungsbegriff eine Veranstaltung fällt, bei der Eintritt erhoben wird. Integraler Bestandteil des Versammlungsbegriffs ist es, dass Menschen ungehindert zusammenkommen um ihre Meinung zu äußern. Versammlungsfreiheit wiederum ist unabdingbarer Bestandteil des Rechtsstaates. Wenn aber die Teilnahme an einer Veranstaltung, die der Versammlungsfreiheit des Artikel 8 GG unterfallen soll, von der Bezahlung eines Geldbetrages abhängig gemacht werden kann, dann wird das Demonstrationsrecht langsam aber sicher seines Kerns beraubt. Irgendwann wird dann nämlich das Bezahlen von Eintritt die Voraussetzung für eine Demonstrationsteilnahme und damit Demonstrieren zu einem Recht derjenigen, die Geld haben.
Was heißt das jetzt konkret? Muss das Versammlungsrecht präzisiert werden? Wenn das BVerfG entscheiden würde, dort wo Eintritt verlangt wird, liegt keine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG vor, bräuchte es keine Änderung im Versammlungsrecht. Das Versammlungsrecht selbst ist seit der Föderalismusreform 2006 in Länderhoheit übergegangen. Der Landesgesetzgeber könnte im jeweiligen Versammlungsgesetz einen Satz verankern, der ungefähr so lautet:
„Nicht unter dieses Gesetz fällt eine öffentlich Veranstaltung, bei welcher der Zutritt nur gegen Zahlung eines Geldbetrages möglich ist.“
Wäre dann damit aber so etwas wie das Nazi-Konzert zu verhindern? Vermutlich eher nicht. Wenn so ein Rechtsrock-Konzert keine Demonstration ist, dann müsste für seine Durchführung eine Sondernutzungserlaubnis beantragt werden. Soweit ich das verstanden habe, fand das Nazi-Konzert in Thüringen auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche statt. Demnach dürfte, unterstellt es handelt sich nicht um eine Demonstration, der § 42 OBG (Ordnungsbehördengesetz) Thüringen einschlägig sein. Nach dessen Abs. 3 Ziffer 3 müsste ein solches Konzert genehmigt werden, da es sich um eine Veranstaltung handelte, die in einer nicht dafür bestimmten Anlage stattfand und mehr als eintausend Besucher zulassen wollte. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des VG Meiningen waren 1.500 Eintrittskarten verkauft, der Preis lag bei 30 EUR pro Karte. Eine solche Erlaubnis wäre nach Absatz 4 zu versagen, wenn es zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich erscheint oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Ob eine Versagung nach § 42 OBG wirklich möglich ist, hängt also davon, ob zu erwarten ist, dass gegen die Gesamtheit der geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen verstoßen wird. Ist davon auszugehen, dass Straftaten begangen werden, wäre eine Versagung nach § 42 OBG möglich. Werden während der Veranstaltung mit Sondernutzungserlaubnis Straftaten begangen, müsste gegen die Straftäter*innen auch vorgegangen werden.
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