Zur Gasumlage – Teil II

Ich hatte bereits hier etwas zur Gasumlage geschrieben. Mittlerweile gibt es die Berechnung der Höhe der Gasumlage und die entsprechende Verordnung. Damit werden einige Dinge   klarer und einige Dinge stellen sich dann doch anders und weniger gut dar, als im letzten Beitrag zum Thema. Insbesondere scheinen mir die Umsetzung der Umlage, ihre Begründung und die Frage der Durchreichung an die Letztverbrauchenden noch einmal einen genaueren Blick wert.

Auf der Internetseite der Bundesregierung ist beispielsweise zu lesen, dass durch die weniger Gaslieferungen aus Russland die Importeure unter hohen Kosten Ersatz beschaffen müssen und sie durch die Umlage dabei unterstützt werden sollen. Die Höhe der Umlage, die bis April 2024 befristet ist und alle drei Monate angepasst werden kann, beträgt ab 1. Oktober 2,4 Cent pro Kilowattstunde.

Das heißt zunächst erst mal, dass mit der Umlage die Importeure, die teuer einkaufen müssen, unterstützt werden sollen und das die 2,4 Cent nicht das Ende des Preises sind, sondern nach drei Monaten noch erhöht werden können (oder auch sinken). So weit so gut, es wäre ziemlich blöd, wenn die Importeure kein Gas einkaufen könnten und es deshalb zu Lieferengpässen kommen würde. Die Frage ist allerdings, ob diese Unterstützung in Form einer Umlage und wenn ja in dieser Form der Umlage erfolgen muss oder es nicht bessere Mittel und Wege für die Unterstützung der Gasimporteure geben könnte. (Und nein, die Aussetzung der Sanktionen oder deren Aufhebung sind das meines Erachtens nicht. Wer das fordert, sollte auch sagen, wie anders auf einen Überfall eines anderen Landes reagiert werden soll. Zumal die Sanktionen zu wirken scheinen.)

Was wie und warum abgesichert werden soll, scheint aber unklar zu sein. In einem auf Twitter verbreiteten Video (ab 23.01) von @TiloJung antwortete eine Vertreterin des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf die Frage von Tilo Jung, wie verhindert werden soll, dass nicht insolvenzbedrohte Unternehmen von der Gasumlage profitieren mit einem Hinweis darauf, wer antragsberechtigt ist. Sie sagte konkret: „Es müssen also verschiedene Voraussetzungen gelten, eine drohende Insolvenz zählt in der Tat nicht dazu. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss, sich breiter aufzustellen und sich letztendlich auch unabhängiger zu machen von russischen Gaslieferungen. Aber nach Auffassung von Minister Habeck müssen zufallsgetriebene Gewinne auch anders bewertet werden und dazu sind wir in der Koalition auch in Gesprächen.“ Ich würde das so übersetzen: Es kann auch passieren das nicht von Insolvenz bedrohte Importeure von der Umlage profitieren, aber wir wollen sie durch eine Übergewinnsteuer dann wieder besteuern. Dazu streiten wir in der Koalition noch. (Eher ist es wohl so, dass Herr Lindner von der FDP das boykottiert).

Andererseits heißt es bei der Bundesregierung klar: „Die Gas-Importeure brauchen in der aktuellen Situation Unterstützung, um hohe Beschaffungskosten für Gas auszugleichen. Anderenfalls droht der Zusammenbruch von Unternehmen, die für das Funktionieren des Gasmarkts und die Versorgungssicherheit wichtig sind. Die Bundesregierung hat deshalb eine Gasumlage auf den Weg gebracht.“ Dieses „deshalb“ bezieht sich aus meiner Sicht auf den drohenden Zusammenbruch der andernfalls drohe. Auf derselben Seite steht auch: „Unternehmen sowie private Verbraucherinnen und Verbraucher teilen sich die Belastung.“

Auf der Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz wird darauf verwiesen, dass die Gasimporteure die durch die fehlenden Lieferungen aus Russland wegfallenden Gase zur Versorgung am Spotmarkt zu erheblich höheren Kosten einkaufen müssen und dies nicht lange durchalten können, „weil sie aufgrund von vertraglichen Regeln die höheren Preise zum jetzigen Zeitpunkt nicht an ihre Kunden weitergeben können. Hierdurch entstehen den betroffenen Gasimporteuren erhebliche Verluste, die, wenn sie zu groß werden, die Unternehmen in die Insolvenz treiben würden. Ein solches Szenario könnte massive Konsequenzen für die Gasversorgung in Deutschland haben, bis hin zum Zusammenbruch der Gasversorgung von privaten und gewerblichen Verbrauchern insgesamt. Genau das gilt es staatlicherseits zu verhindern.“ Auch hier spricht meines Erachtens dieses „genau das … zu verhindern“ dafür, dass ein Zusammenbruch der Gasversorgung durch Insolvenzen der Importeure mit der Umlage verhindert werden soll. Auch eine weitere Passage legt eine solche Interpretation nahe: „Um die Versorgungssicherheit im kommenden Herbst und Winter zu gewährleisten, müssen alle Marktmechanismen des Gasmarkts sowie die Lieferketten so lange wie möglich aufrechterhalten werden, um Insolvenzen von Gashändlern und Dominoeffekte in der Lieferkette der Energiewirtschaft zu verhindern“.

Das scheint das übergreifende Ziel des § 26 EnSiG zu sein und eigentlich auch der Verordnung. Der kleine Fun-Fact am Rande: Es steht im ersten Zitat auch, dass die höheren Preise nicht an die Kunden weitergegeben werden können. Durch die Umlage -dazu später- soll dies dann aber wieder möglich sein. Auf der Seite des Ministeriums wird dies so formuliert. „… Energieversorger, die frei sind, diese Kosten dann an die privaten und gewerblichen Endverbraucherinnen und- verbraucher weiterzugeben.“ Wenn dem aber so ist, dann stellt sich doch wieder die Frage, weshalb der § 26 EnSiG eingeführt wurde, denn die Weitergabe der Kosten wäre nach § 24 EnSiG in jedem Fall möglich. Dort heißt es in Abs. 1: „Mit der Feststellung durch die Bundesnetzagentur nach Satz 1 erhalten alle von der Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland unmittelbar durch Lieferausfälle oder mittelbar durch Preissteigerung ihres Lieferanten infolge der Lieferausfälle betroffenen Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nummer 18 des Energiewirtschaftsgesetzes entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen.“ Ich hatte es ja immer so verstanden, dass der § 26 EnSiG deshalb eingeführt wurde, damit die Kunden*innen nicht so massiv belastet werden. (By the way: Würde der § 26 EnSiG abgeschafft, wäre der § 24 EnSiG immer noch in Kraft und es würde eine Preisanpassung bei den Letztverbrauchenden nach diesem Paragrafen stattfinden.)

Spannend ist, wie es zur Diskrepanz in der Aussage in der Pressekonferenz und den Formulierungen auf den Webseiten kommt. Das liegt an den Formulierungen in der Gaspreisanpassungsverordnung (so der Fachbegriff für die Gasumlage), welche auf dem § 26 EnSiG basiert. In § 2 Abs. 1 der Verordnung wird zunächst geklärt, dass einen Anspruch auf die Umlage die von der „erheblichen Reduzierung der Gasimportmengen unmittelbar betroffenen Gasimporteure“ haben. Nach Angaben der Tagesschau haben sich 12 Unternehmen für die Umlage registrieren lassen. Die Registrierung bedeutet aber nicht, dass alle registrierten Unternehmen die Umlage auch in Anspruch nehmen werden, wie die Beispiele RWE und Shell zeigen, die angekündigt hatten, auf eine Inanspruchnahme bzw. Weiterreichung zu verzichten. Nach einem FAQ der THE haben sich folgende Unternehmen registriert: AXPO Solutions AG, DXT CommoditiesS.A., EWE Trading GmbH, ENET Energy SA, Gunvor Group Ltd., RWE Supply & Trading GmbH, OMV Gas Marketing & Trading GmbH, SEFE Marketing & Trading Ltd, Uniper SE, Vitol SA, VNG Handel & Vertrieb GmbH, WIEH GmbH.

Wird die Verordnung ernst genommen, muss vor einer Inanspruchnahme der Umlage also  geprüft werden, ob wirklich eine „unmittelbare Betroffenheit“ vorliegt. Und natürlich muss auch geprüft werden, dass der Umfang der Inanspruchnahme sich -entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 1 der Verordnung- allein auf den finanziellen Ausgleich der Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung“ bezieht. Mehrkosten der Ersatzbeschaffung, so § 2 Abs. 2 der Verordnung treten auf, „soweit der Gasimporteur aufgrund teilweiser oder vollständiger Nichtlieferung von durch Beschaffungsverträge fest kontrahierten Gasimportmengen Ersatz beschaffen muss„. Damit ist aber auch Ende der Bedinungen und das ist ein Problem. Der zumindest in Presseerklärungen verlautbarte Wille, es gehe um die Verhinderung von Insolvenzen ist in der Verordnung nicht genannt und damit keine Anspruchsvoraussetzung. Ob dies ein handwerklicher Fehler ist oder bewusst „vergessen“ wurde, kann ich nicht beantworten. Es wäre aber möglich als Anspruchsvoraussetzung noch zu formulieren, dass nachgewiesen werden muss, dass ohne „finanziellen Ausgleich der Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung eine Insolvenz droht“.

An dieser Stelle fällt aber noch etwas anderes auf, was dazu führt, dass das Konzept der angeblich möglichen Weiterreichung der Umlage an die Letztverbrauchenden aus meiner Sicht in Frage stellt. Wenn ein Vertrag nicht eingehalten werden kann (Anspruchsvoraussetzung ist ja, dass aufgrund teilweiser oder vollständiger Nichtlieferung von durch Beschaffungsverträge fest kontrahierten Gasimportmengen Ersatz beschafft werden muss), dann gibt es halt Schadensersatz von demjenigen, der den Vertrag nicht erfüllt. Richtig ist allerdings auch, dass bis das endgültig gerichtlich geklärt ist, Jahre vergehen können. Gehen deshalb massenweise Gasimporteure in Insolvenz wäre das ein Problem. Den Grundgedanken mit dem Schadensersatz hat die Verordnung in § 2 Abs. 7 aufgegriffen: „Die Zahlung des Ausgleichs durch den Marktgebietsverantwortlichen erfolgt unter dem Vorbehalt der Rückzahlung, soweit der Gasimporteur Ersatzansprüche im Zusammenhang mit der Nichtlieferung von fest kontrahierten Gasimportmengen, für deren Ersatzbeschaffung ein Ausgleich gezahlt wird, erfolgreich durchsetzen kann.“ Wenn der Gasimporteur also Schadensersatz erhält, zahlt er die Ausgleichszahlung ganz oder teilweise zurück. Die THE, die die Ausgleichszahlung an die Gasimporteure leistet und dafür die Umlage vereinnahmt, müsste in einem solchen Fall dann aber eigentlich auch die von ihr vereinnahmte Umlage wieder auszahlen. Wenn die Umlage wirklich an die Letztverbrauchenden weitergereicht wird, müssten diese am Ende ja auch eine solche Rückzahlung erhalten. Ich bin gespannt wie das dann umgesetzt werden soll. Es wäre vielleicht besser, die Umlage nicht auf die Letztverbrauchenden durchzureichen um ewiges und vermutlich bürokratisches Rückzahlungschaos zu verhindern.

Das führt dann zu einer anderen Überlegung. Den Anspruch auf die Ausgleichszahlung müssen die Gasimporteure gegenüber der Trading Hub Europe (THE) geltend machen. Im besten Fall springt die THE quasi nur ein, bis die Schadensersatzansprüche geklärt sind. Im schlechtesten Fall erhält die THE die Ausgleichszahlung nicht zurück. Nun könnte mensch ja auf die Idee kommen, dass die THE dafür so mit staatlichen Mitteln ausgestattet wird, dass sie die Ausgleichszahlung an die Gasimporteure leisten kann, wegen mir auch nach dem Verfahren nach § 26 EnSiG. Dies um so mehr, als mit dem § 29 EnSiG sogar eine Rechtsgrundlage für Stabilisierungsmaßnahmen gegeben wäre. Danach sind Sabilisierungsmaßnahmen „alle Maßnahmen, die der Sicherung oder Wiederherstellung einer positiven Fortbestehensprognose (…) nach § 19 Absatz 2 der Insolvenzordnung oder der Durchfinanzierung der Abwicklung des Unternehmens dienen“. Damit hätte sich dann auch das beschriebene Insolvenz-Problem gelöst.

Statt aber einen solchen Weg zu wählen, der ebenfalls verhindern würde das durch Insolvenzen die Versorgungssicherheit gefährdet wäre und gleichzeitig das Rückabwicklungsproblem bei Ersatzansprüchen einfach gestalten würde, werden entsprechend der Verordnung die Kosten der Ersatzbeschaffung umgelegt. Die Gasimporteure machen die Kosten bei der THE geltend, diese zahlt die Ersatzbeschaffungskosten und holt sich diese bei den Bilanzkreisverantwortlichen durch die Gas-Umlage wieder. So der Gesetzestext und die Verordnung. Selbst ein solches Verfahren wäre nicht völlig verkehrt, wenn es den Bilanzkreisverantwortlichen möglich wäre zur Verhinderung ihrer Insolvenz staatliche Hilfsleistungen in Anspruch zu nehmen. Nun ist aber immer davon die Rede, dass die Letztverbrauchenden, höher belastet werden.

Mir stellt sich die Frage, wo dies eigentlich gesetzlich geregelt ist? In der Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung, § 26 Abs. 6 EnSiG, steht nur was zur Belastung der Bilanzkreisverantwortlichen. Es steht dort nicht, dass die Bilanzkreisverantwortlichen ihre Belastung weitergeben dürfen (warum auch, in § 24 EnSiG steht ja eine Regelung zur Weiterreichung der Kosten). Dementsprechend findet sich auch in der Verordnung an keiner Stelle etwas von Weiterleitung der Umlage durch die Bilanzkreisverantwortlichen an die Letztverbrauchenden. Die Presserklärung der THE zur Gasumlage spricht davon, dass diese „im Einklang mit der Verordnung“ die Ausgleichszahlungen auf die Bilanzkreisverantwortlichen umlegt. Beim FAQ der THE wiederum steht: „Es scheint jedoch möglich, dass die BKV die Umlage entsprechend weitergeben. Dies betrifft das Vertragsverhältnis zum Beispiel eines Versorgers mit seinem Kunden. Daher sind Einzelheiten hierzu zwischen den relevanten Vertragsparteien abzustimmen.“ Die Formulierung „scheint“ ist hier recht defensiv und es wird auf das Vertragsverhältnis abgestellt. Der einzige vielleicht kleine Hinweis auf eine gesetzliche Regelung findet sich in § 26 Abs. 7 Satz 1 EnSiG: „Das transparente und diskriminierungsfreie Verfahren regelt unter angemessener Beachtung der Interessen der Verbraucher insbesondere die der saldierten Preisanpassung unterfallenden Mengen.“ Hier scheint es mir aber eher um eine Mengenangabe zu gehen, als um eine konkrete Ermächtigungsgrundlage zur Durchreichung der Umlagekosten. Allerdings könnte dies -unterstellt es soll sich um eine Rechtsgrundlage zur Durchreichung handeln- eine Option sein, die Durchreichung nur auf ein einen Verbrauch oberhalb eines Grundkontingents zu beschränken (was allerdings in der Verordnung dann angepasst werden müsste). 

Ich kann komplett falsch liegen, aber ich finde derzeit einfach keine Rechtsgrundlage für die Durchreichung der Gasumlage von den Bilanzkreisverantworlichen an die Letztverbrauchenden. Ich bin da gern bereit mich zu korrigieren, wenn es entsprechende Hinweise gibt.

Tatsächlich vermute ich und die beiden letzten Fragen im FAQ des Bundesministeriums könnten einen Hinweis darauf sein, dass eine Durchreichung der Gasumlage sich aus Verträgen zwischen Lieferanten*innen und Letztverbrauchenden ergeben könnte. Dann aber hätte der § 26 EnSiG nicht geschaffen werden müssen, weil das ginge ja auch über § 24 EnSiG.

Möglicherweise ist eine Weiterreichung aber beabsichtigt, um auch eine Insolvenz von Lieferanten zu verhindern, denn diese sollen einem FAQ bei der Bundesnetzagentur im Regelfall die Bilanzkeisverantwortlichen sein. Bei der THE werden Bilanzkreisverantwortliche allgemeiner als „Energiehändler“ bezeichnet. Nun scheint es mir sinnvoll zu sein, auch hier eine Insolvenz zu verhindern, weil insolvente Lieferanten wären ja auch ein Problem für die Versorgungssicherheit. Um aber wieder den Bogen zu spannen: Das wäre viel einfacher zu regeln, wenn die entsprechenden Bilanzkreisverantwortlichen eine staatliche Unterstützung bekommen würden. Finanzierbar wäre das im Übrigen durch eine Übergewinnsteuer. Um nicht ganz einer Steuerungswirkung im Hinblick auf den Gasverbrauch zu entgehen, wäre für mich denkbar, dass es ein kostengünstiges Grundkontingent finanziert über die Übergewinnsteuer gibt und was über dieses Grundkontingent hinaus verbraucht wird, kann dann durchaus teurer sein.

PS: Wer kontinuierlich am Thema bleiben möchte, dem sei der tägliche Lagebericht der Bundesnetzagentur empfohlen.

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