Zwischen realer und digitaler Welt

Es gibt immer wieder Sachen, die mir schwer fallen zu glauben oder zu verstehen. Eine davon spielte sich heute morgen in der Bödikerstr. 9 im Friedrichshain ab.

Bereits in der vergangenen Woche habe ich mit den Bewohner/innen gesprochen, weil für heute morgen um 9.00 Uhr die Übergabe des Hobbyraumes des alternativen Wohnprojektes an den Eigentümer durch die Gerichtsvollzieherin geplant war (und das obwohl noch Rechtsbeschwerde beim BGH anhängig ist).  Tatsächlich tauchten so gegen 9.00 Uhr auch zwei Mannschaftswagen der Polizei auf, Vertreter/innen der Eigentümer und die Gerichtsvollzieherin. Zunächst wurde erst mal geklärt, ob tatsächlich ein Antrag auf Zwangsvollstreckung für diese Adresse vorliegt und er lag vor. Auch die Sicherheitsleistung wurde überprüft. Auch das war korrekt. Doch dann ergab sich eine neue Situation. Der Anwalt der Bewohner/innen verwies darauf, dass es einen Untermieter für den Hobbyraum gibt, gegen den kein Zwangsvollstreckungstitel vorliegt. Damit gab es aber nun ein Problem, denn der BGH hat am 14.08.2008 folgendes entschieden: Die Räumungsvollstreckung darf nicht betrieben werden, wenn ein Dritter, der weder im Vollstreckungstitel noch in der diesem beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist, im Besitz der Mietsache ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz nur eingeräumt worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln.“  Ziemlich eindeutig würde ich sagen und meine Eindruck war, auch der Einsatzleiter der Polizei sah dies ähnlich und seine Lust hielt sich in Grenzen einen rechtlich mindestens fragwürdigen Einsatz durchzuführen. Doch die Eigentümer und die Gerichtsvollzieherin sahen das anders. Der Versuch zu argumentieren, dass ein Eingreifen der Polizei doch jetzt nur eskalieren würde, es sinnvoller wäre sich noch einmal zusammenzusetzen und die unterschiedlichen Interessen auszutauschen und zu versuchen eine friedliche Lösung zu finden war erfolglos.  Mit Pfefferspray, von welchem selbst der Anwalt der Bewohner/innen betroffen war, wurde sich Zugang zum Hof verschafft.


Polizei im S-Bahnhof Köpenick

Gegen 11.00 Uhr musste ich dann in Richtung Reichstag, aber nach dem was ich jetzt telefonisch erfahren habe, ist es den Eigentümern tatsächlich gelungen, den Hobbyraum in Besitz zu nehmen und diesen jetzt zu versiegeln. Und das obwohl nach meinen Informationen sogar die Gerichtsvollzieherstelle am AG Lichtenberg von einem Vollzug abgeraten hat, wegen dem zitierten Beschluss des BGH.  Und genau das ist der Punkt, den ich jetzt nicht wirklich verstehe. Wenn Urteile des BGH ignoriert werden, was sind sie denn dann eigentlich wert? Wie soll eigentlich zukünftig mit Beschlüssen des BGH umgegangen werden? Einfach ignorieren und das wars?

Ziemlich durchgefroren fand ich mich dann immer noch in der realen Welt zu einem Gespräch über die digitale Welt ein.  Dieses Gespräch hat mich dann doch aufgemuntert. Gemeinsam mit den Sachverständigen der LINKEN in der Enquete „Internet und digitale Gesellschaft“ haben wir uns über die ersten Schritte in der Enquete verständigt. Das hat richtig Spaß gemacht und ich freue mich schon jetzt auf die Arbeit in der Enquete und mit den Sachverständigen.

Doch heute Abend ist erst mal Fussball angesagt. Nach einer langen, langen Pause geht es für mich endlich wieder los mit dem Training. Ich kann jetzt schon kaum noch ruhig auf dem Stuhl sitzen ;-).

4 Replies to “Zwischen realer und digitaler Welt”

  1. Schön, dass sie hier so wählerstimmenheischend Ihrer Klientel nach dem M… reden.
    Es hat reihenweise Einigungsversuche mit dem „Wohnprojekt“ gegeben.
    Fakt ist, dass von den 14 Mietvertragsnehmern nur noch vier in dem Haus wohnen.

    Je nach dem, wie es den Bewohnern besser passt, stellen sie sich gegenüber der Öffentlichkeit/der Justiz/den Eigentümern mal als homogene Gruppe, mal als Kollektiv dar.

    Lustig oder auch traurig ist, dass die Verhandlungen einen vorläufigen Höhepunkt fanden, als die letzten vier legalen Bewohner EUR 240.000,– !!! forderten, dann würden sie für eine Übergabe der Räume binnen drei Monaten sorgen.

    Dieser Betrag sollte dann unter den vier legalen Bewohnern aufgeteilt werden!!
    Nix mit Solidarität!

    Sie sollten sich, insbesondere in Ihrer Position, davor hüten sich ohne weiteres Meinungen und Positionen einer Konfliktpartei zu eigen zu machen!

  2. Ach ja, und zu dem BGH-Urteil:

    Die staats- und justizverneinenden Damen und Herren wissen komischerweise sehr gut, wie man sich mit juristischen Spitzfindigkeiten zur Wehr setzt.

    Wenn man nach 1,5 Jahren endlich einen Räumungstitel hat (auf den Kosten der Räumung , ca. 7.000 Euro, bleibt man natürlich sitzen, da, wenn ein Verantwortlicher zu greifen, bei diesem natürlich nichts zu holen ist), zaubert irgendein Anwalt am Tag der Räumung einen Untermietvertrag vor.
    Und wenn dann nach 1,5 weiteren Jahren die nächste Räumung ansteht, gibt es halt einen neuen Untermietvertrag!

    Ziemlich eindeutig, würde ich sagen!

    Und damit die Provokateure auch noch ermutigt werden, wünschen Sie sich, dass die Polizei doch besser wieder abziehe, wenn eine Eskalation bei einer Räumung drohe – wissen Sie eigentlich, was Sie da von sich geben?
    Was machen Sie eigentlich im Bundestag, wenn Sie der Exekutive versagen wollen, IHRE Gesetze durchzusetzen?

    Mir ist schon klar, dass meine Ansichten hier auf Ihrem Blog zensiert werden, aber vielleicht dringt ja wenigstens eine Kleinigkeit in Ihr Grosshirn durch…

  3. Na das ist ja mal nett, dass Du die Protorassistin Lengsfeld jetzt auch duzt. Freut mich wirklich, dass die Gräben zwischen den LINKEN und erklärten islamophoben Rassistinnen endlich eingerissen werden. Da kann man doch mal ein Sportfest draus machen, oder?

  4. Naja, ob der Eigentümer der Bödiker 9/10 soviel von der Rechtsstaatlichkeit hält, wie er hier glauben machen mag, möchte ich mal anzweifeln. In Sachen eigenmächtiger Gesetzesauslegung (oder besser: -missachtung) hat der es nämlich auch faustdick hinter den Ohren: So hatten die Bewohner/innen des Hauses vor einem guten Jahr versteckte Videokameras in der Hofeinfahrt entdeckt – was definitiv dem Datenschutzrecht widerspricht. Doch auf diesen Umstand hingewiesen, entfernten die Eigentümer die Kameras nicht etwa, sondern mussten per gerichtlicher Klage dazu gezwungen werden.
    http://www.bmgev.de/mieterecho/332/17-videoueberwachung-pn.html

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