Antworten auf (nicht zugegangene) Fragen

Es gibt Menschen die stellen Fragen, schicken sie aber nicht ab. Ich antworte trotzdem 🙂

1. Was hat Sie dazu motiviert, sich in diese Enquete des Deutschen Bundestages berufen zu lassen und welche(s) Ihrer politischen Ziele wollen Sie dort verwirklichen?

Netzpolitik ist eines der zentralen Themenfelder für die Politik in Deutschland. Es geht dabei um die Frage, welchen Stellenwert wir dem Internet für die Entwicklung unserer Gesellschaft einräumen, wie wir die Wahrung individueller Freiheiten sicherstellen und Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger im und am Netz gewährleisten können. Aber auch was sich an veränderten Berufsbedingungen ergibt, gilt es zu thematisieren.

2. Haben Sie sich bereits früher mit „Netzpolitik“, beispielsweise mit den Ergebnissen der Vorgänger- Enquete aus den Jahren 1995 – 1998 befasst und wie beurteilen Sie die Tatsache, das die damaligen Empfehlungen, beispielsweise für eine Reform des Bundesdatenschutzgesetzes (Gesamtreform, Datenschutzaudit etc.), in den federführenden Ausschüssen nie umgesetzt wurden?

Als neu gewählte Bundestagsabgeordnete beschäftige ich mich nun seit einigen Monaten auch parlamentarisch mit der deutschen Netzpolitik. Auch davor habe ich die Debatten aufmerksam verfolgt. Ich begreife meine Mitarbeit in der Enquete als Möglichkeit, jetzt auch aktiv in die Debatten des Parlaments eingreifen zu können. Es besteht aber durchaus die Gefahr, dass CDU und FDP die Enquete-Kommission einberufen haben um die Kritiker unter den Internetnutzern und -aktivisten ruhig zu stellen. Die Kommission darf aber keine parteipolitische Politiksimulation sein, nur um zu zeigen, dass man sich irgendwie mit dem Thema beschäftigt. Neben der Enquete-Kommission dürfen wir außerdem auch die aktuell anstehenden Entscheidungen wie etwa zu Vorratsdatenspeicherung und Urheberrecht nicht aus den Augen verlieren.

3. Wie schätzen Sie Ihren politischen Einfluss ein, um eine Umsetzung Ihrer eventuellen Empfehlungen wenigstens mit dieser Enquete zu gewährleisten?

Bereits im Wesen des Internets ist die Möglichkeit zur Partizipation und Teilhabe angelegt. Gerade bei der anstehenden Internet-Enquete ist es wichtig außerparlamentarischen Druck aufzubauen und die Debatte von außen mit voranzutreiben. So können wir verhindern, dass die Ergebnisse der Enquete in der Schublade verschwinden. Ich werde mich in meiner Fraktion und Partei dafür einsetzen die Netzpolitik und die Arbeit der Enquete wesentlich in unsere Politikentwicklung mit einzubeziehen.

4. Haben Sie bereits an Demonstrationen für Bürgerrechte und gegen Internetzensur, wie beispielsweise an der „Freiheit statt Angst“ gegen das „Zensursulagesetz“ in Berlin, teilgenommen oder werden Sie künftig daran teilnehmen?

Ich habe zusammen mit der LINKEN an den mehreren der vergangenen „Freiheit statt Angst“ Demonstrationen in Berlin teilgenommen und werde dies selbstverständlich auch in Zukunft tun. Politischen Protest lautstark und friedlich auf die Straße zu tragen ist auch in Zeiten von Online-Kampagnen und Protestmails unverzichtbar.

5. Wie beurteilen Sie „Sendezeiten“ und „Labels“ für das Internet, wie es der derzeit diskutierte Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) vorsieht?

Solche Ideen können nur von alten „analogen“ Männern kommen. Sendezeiten im Internet sind absurd. Und eine providerseitige Alterskennzeichnung birgt neben ihrer praktischen Fraglichkeit die Gefahr einer Zensur von Inhalten durch die Hintertür.

6. Wie stehen und standen Sie zu „Zensursula“ (dem so genannten Zugangserschwerungsgesetz) und würden Sie sich einer Verfassungsklage gegen dieses Gesetz anschliessen?

Das Zugangserschwerungsgesetz geht komplett an seiner vermeintlich Zielsetzung vorbei. Durch ein solches Gesetz wird kein Kind vor Missbrauch geschützt. Vielmehr dient es dem Aufbau einer undurchsichtigen Sperrinfrastruktur und stellt den Einstieg in die Internetzensur dar. Gegen ein solches Gesetz werde ich auch zukünftig vorgehen – notfalls auch mit einer Verfassungsbeschwerde.

7. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Ihre Partei in den Ländern, in denen sie jeweils (mit-)regiert, keinerlei sichtbare Inititativen ergreift, um diesen Staatsvertrag zu stoppen?

Staatsverträge werden allein von den Ministerpräsidenten der Länder ausgehandelt. Bei Bekanntwerden der Entwürfe, hat unsere Fraktion in Berlin ihren Widerstand angemeldet.

9. Wie definieren Sie „Netzneutralität“ und setzen Sie sich für eine solche, beispielsweise auch für Anonymisierungsdienste, ein?

Netzneutralität meint den ungehinderten Fluss von Datenpaketen, unabhängig ihrer Art, ihres Senders oder ihres Empfängers. Dieses Prinzip halte ich für unabdingbare Grundlage eines freien Netzes. Frei nach dem Motto: Alle Daten sind gleich.

10. Hätten Sie im europäischen Parlament mit der dortigen Mehrheit gegen das so genannte SWIFT – Abkommen gestimmt?

Eindeutig: ja.

11. Sind Sie dafür, die so genannte „Vorratsdatenspeicherung“ nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts schnell umzusetzen und wie beurteilen Sie die Kritik einiger Politiker und Polizeifunktionäre am Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Die angesprochene Kritik ist völlig überzogen. Effektive Strafverfolgung braucht keine Vorratsdatenspeicherung und ich lehne diese ab. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist aber nur ein kleiner Erfolg im Kampf gegen Überwachung. Das Problem muss auch auf europäischer Ebene angegangen werden. Dennoch sollten wir alle wachsam sein und einem zu erwartenden neuen Vorstoß der Bundesregierung in Sachen VDS entschlossen entgegen treten.

12. Das Thema Urheberrecht soll eine zentrale Rolle in Ihrer Kommission bekommen. Wie stehen Sie grundsätzlich zu „Open Access“ und befürworten Sie staatliche Eingriffe in das Internet zur Durchsetzung von Interessen der Content- Industrie, wie es beispielsweise die Entwürfe des ACTA- Abkommens auf internationaler Ebene vorsehen?

OpenAccess, also die freie Verfügbarkeit öffentlich finanzierter Forschungsergebnisse, ist für eine so genannte Wissensgesellschaft ein wichtiger Ansatz, den ich unterstütze. Neben OpenAccess unterstütze ich vor allem auch die OpenData Initiativen. Sie stellen wichtige Ideen einer modernen Demokratie dar und müssen ausgebaut werden. Andere Staaten sind da schon weiter als Deutschland. Hier haben wir Nachholbedarf.

Für das Internet benötigen wir ohne Frage eine Neuinterpretation des Urheberrechts. Hier müssen wir in einen Dialog mit Nutzern und Produzenten treten und eine breite Debatte organisieren. Ein Patentrezept gibt es meiner Ansicht nach hier noch nicht. Eine Politik, die mit gesetzlichen Regelungen der Content-Industrie weitreichende Befugnisse zur „Selbstregulierung“ gibt, ist mit mir nicht zu machen.

13. Wie wollen Sie dazu beitragen, dass die Arbeit der Enquete- Kommission
transparent wird?

Ich nutze bereits seit langem Twitter (http://twitter.com/Halina_Waw) und ein Blog (https://blog.wawzyniak.de) für die direkte Kommunikation im Netz. Dabei freue ich mich immer über Rückmeldungen und Diskussionen. Ich werde diese Praxis auch in Bezug auf die Enquete-Kommission beibehalten und bin für Anmerkungen und Kritik dankbar. Im Übrigen wird sich die Enquete an ihren eigenen Ansprüchen messen lassen müssen. Transparenz heißt für mich nicht nur die Einbeziehung externer Sachverständiger in die parlamentarische Arbeit sondern auch eine zügige Bereitstellung der Arbeitsdokumente für die Öffentlichkeit und die Einbeziehung von Hinweisen, Kritiken und Rückmeldungen in die Arbeit der Kommission.

[update]: auch auf Nachfragen wird reagiert:

Anonymisierungsdienste sind wichtige Tools um den Schutz der informationellen Selbstbestimmung in Anspruch zu nehmen. Die Kriminalisierung einer Nutzung von Software zu diesem Zwecke (TOR etc.) lehne ich ab. Am liebsten wäre mir aber eine Netzpolitik und ein Verständnis vom Internet, dass solche Dienste überflüssig machen würde.

4 Replies to “Antworten auf (nicht zugegangene) Fragen”

  1. Hallo, Frau Abgeordnete… Geht´s noch??? Sie hatten um 19 Uhr einen Termin draußen in der realen Welt. Und Sie bloggen und twittern hier munter weiter. Das ist echt das Letzte.

  2. „Solche Ideen können nur von alten “analogen” Männern kommen.“

    Die Festlegung auf eine bestimmte Altersgruppe (und hier auch noch auf ein Geschlecht) halte ich für gefährlich. Dieses „Generationenproblem“ ist keines, da es hier nicht um ein Kommunikationsproblem zwischen jüngeren und älteren Bürgern (beiderlei Geschlechts) geht, sondern um ein solches zwischen denen, die das Internet begriffen haben und solchen, die es eben nicht begriffen haben (und oft auch gar nicht begreifen wollen).

    Ich denke, man kann das vergleichen mit einer Gruppe, die lesen und schreiben kann, und einer anderen, die das nicht kann. Aus der zweiten rekrutieren sich dann aber Leute, die in herrschender Position über Bücher urteilen dürfen.

    Ich habe das Thema selbst vor einem knappen Jahr schon mal in einem Blogartikel verarbeitet: http://blog.atari-frosch.de/2009/05/15/generationenproblem/

  3. Pingback: DIGITALE LINKE

  4. Sag mal lieber Clemens, hast Du zuviel Zeit oder warum sonderst Du hier jeden Tag Deinen Sermon ab? Langsam nervt es ein wenig.

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