Buch in der Post

Kurz vor Ostern war in meiner Post ein Buch. Peter Asprion schickte mir sein Buch „Gefährlich Freiheit? Das Ende der Sicherungsverwahrung„.

Über Ostern habe ich das Buch gelesen und kann es nur weiterempfehlen. Auf 194 Seiten wird sich dem Thema Sicherungsverwahrung so angenommen, dass man nicht Jurist oder Juristin sein muss um zu verstehen worum es geht.

Der Autor selber war in der Freiburger Justizvollzugsanstalt (also im Freiburger Knast) Sozialarbeiter und arbeitet derzeit in der Bewährungshilfe. Er berichtet also aus ganz praktischer Sicht, wie mit Sicherungsverwahrung und mit den entlassenen Sicherungsverwahrten umgegangen wird. Seit September 2010 betreut er als Bewährungshelfer fünf ehemals Sicherungsverwahrte.

Zunächst schreibt Asprion etwas zur Geschichte der Sicherungsverwahrung, interessant vor allem für diejenigen die die Sicherungsverwahrung als etwas ganz normales ansehen. Denn bis zum 31. Januar 1998 führte die Sicherungsverwahrung ein Schattendasein. Dann trat jedoch das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“ in Kraft. Was Asprion zur Gesetzgebung schreibt, habe ich beim Thema Sicherungsverwahrung selbst erlebt. Wissenschaft interessiert nicht, Fakten interessieren nicht, Populismus ist das Einzige was zählt :-(.

Nach dem historischen Diskurs beschreibt Asprion dann den Fall zweier ehemaliger Sicherungsverwahrter, die in Freiheit entlassen werden, völlig unvorbereitet. Er beschreibt wie sich die Gesellschaft in ihrer Mehrheit verweigert auch nur in Ansätzen eine Resozialisierung zu ermöglichen. Da wird von der städtischen Wohnungsbaugsellschaft keine Unterkunft zur Verfügung gestellt, nicht einmal einen 1 Euro-Job gibt es. Wörtlich heißt es: Der Geschäftsführer der stadteigenen Wohnbaugesellschaft untersagt der Einrichtung, in Wohnungen, die sie von der Stadt Freiburg angemietet hat, entlassene Sicherungsverwahrte unterzubringen.“ Die Betroffenen sind frei und weiter ausgegrenzt. Zwischendurch erfährt man so nebenbei, dass die Polizei (!) im Rahmen einer Gemeinsamen Zentralstelle die Kategorisierung der Gefährlichkeit der Ex-Sicherungsverwahrten übernimmt und damit in alleinger Zuständigkeit den Umgang mit ihnen festlegt.

Am Ende des Buches stellt Asprion seine Alternativen vor. Tatsächlich sind es nicht wirklich Alternativen zur Sicherungsverwahrung, sondern Alternativen zum Umgang mit Sicherungsverwahrten, die in Freiheit entlassen werden. Asprion fordert -aus meiner Sicht völlig zu Recht- schließlich die Abschaffung der Instrumente: Therapieunterbringungsgesetz, der Verwaltungsvorschrift die der Polizei die Kategorisierung von Gefangenen erlaubt und der Sicherungsverwahrung.

Der Bundestag muss eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung bis 2013 hinbekommen. DIE LINKE hat die Einsetzung einer Expertenkommission vorgeschlagen. Ich gehe davon aus, dass diese von der Mehrheit abgelehnt wird. Sinnvoll wäre sie allemal, denn sie böte die Chance mit Expertinnen und Experten über den Sinn der Sicherungsverwahrung zu reden. DIE LINKE, so habe ich es in meiner jüngsten Rede zu diesem Thema gesagt, hält das Institut der Sicherungsverwahrung für höchst bedenklich.

Vielleicht sollten meine Kollegen/innen in den anderen Fraktionen das Buch auch einmal lesen. Vielleicht würde dann mehr Sachlichkeit in die Debatte einziehen.

3 Replies to “Buch in der Post”

  1. Zu dem Thema lief vor einiger Zeit mal eine Doku (ich glaub in der ARD). Da ging es um einen Sicherungsverwahrungsentlassenen (meine Güte was für ein Wort) der aus der JVA ich denke Freiburg entlassen werden musste, da die Gerichte ja die nachträgliche Sicherungsverwahrung als nichtig erklärten. Dieser Mensch forderte eine Vorbereitungszeit auf die Entlassung von mindestens 4 Wochen. Das Ende der Geschichte war eine Odyssee durch verschiedene Städte Deutschlands mit dem vorläufigem Ende in einem abgelegenen bereits geschlossenen Krankenhaus in dem er Tag und Nacht von der Polizei überwacht wird. Ausgegrenzt aus der Gesellschaft, ein Leben mit einer Teilhabe am „normalen“ Leben nicht zu denken.

    Klar soll die Gesellschaft vor potentiell gefährlichen Menschen geschützt werden, aber jemand der von Gerichten aus dem Strafvollzug geholt wird, hat doch seine Strafe verbüßt und dem sollte auch Hilfe angeboten werden um wieder in der Gesellschaft anzukommen.

    Ich persönlich finde ja das diese unsere Gesellschaft sehr sehr perverse Züge in viel zu vielen Bereichen unseres Lebens einnimmt. Ich hoffe wir können diese Missstände irgendwann zum Positiven verändern.

  2. Danke für die Empfehlung. „Der Artikel wurde soeben versandt“ 🙂 Ähnlich wie das beim Thema „Hafturlaub“ passiert, ist auch die öffentliche Diskussion zur Sicherungsverwahrung jedes Mal auf´s Neue von emetischer Wirkung. Dabei wäre das sachliche, entkrampfte Diskutieren an dieser Stelle geradezu eine gottgegebene Prüfung der christsozialen Nächstenliebe. Die Leistungselite aus der Mitte der Gesellschaft, die sich so gern „Demokraten“ nennt, hätte u.a. hier eine grundlegende Spielwiese, auf der sie beweisen könnte, dass Demokratie eben mehr Arsch in der Hose erfordert, als mit´ner Kerze in der Hand auf dem Marktplatz im Wahlkreis zu stehen.

    Diese jämmerlichen Kotzbrocken.

  3. @renè: ja, beide themen sind von stammtischniveau und populismus geprägt. fakten und erkenntnisse von wissenschaftler/innen zählen da nicht. leider. es ist also nicht nur eine prüfung der christlichen nächstenliebe, es ist häufig auch eine intellektuelle beleidigung 🙁

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