Hochrisikospiele, das BVerfG und das Problem mit Leitsatz 2

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hochrisikospielen im Fussball wird öffentlich vor allem im Hinblick auf die Konsequenz debattiert, also ob und wieviel Geld die Vereine abdrücken müssen, auf wen diese das gegebenenfalls umlegen und ob die jeweiligen Landesregierungen eine Gebührenordnung anstreben. Die Entscheidung ist aus meiner Sicht im Einzelfall richtig und nachvollziehbar, enthält aber mit zwei Sätzen im Leitsatz 2 ein richtiges Problem.

Der Leitsatz 2 des Urteils lautet:

Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie (die polizeiliche Sicherheitsvorsorge –H.W.) ist keine allgemein staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist. (…)“

Durch die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht keine Einschränkung im Hinblick auf den Charakter von Veranstaltungen in den zwei Obersätzen formuliert hat, hat es den Weg zur Privatisierung der Sicherheitsvorsorge eröffnet. Sowohl in Satz 1 wäre eine Einschränkung auf kommerzielle Veranstaltungen oder gewinnorientierte Großveranstaltungen möglich gewesen, als auch im Satz 2.

Das würde auch den Urteilsgründen entsprechen. Wer eine kommerzielle Veranstaltung oder eine gewinnorientierte Großveranstaltung betreibt, der soll bitte auch für die Sicherheit Vorkehrungen treffen und dafür bezahlen. Das muss wahrlich nicht dem/der Steuerzahler*in aufgebürdet werden. Wer allerdings keine kommerzielle Veranstaltung oder gewinnorientierte Großveranstaltung durchführt, insbesondere eine der politischen Meinungskundgabe, der muss selbstverständlich einen Anspruch auf kostenfreie polizeiliche Sicherheitsvorsorge haben. Alles andere würde dazu führen, dass die Meinungskundgabe vom Geldbeutel abhängt. In den Urteilsgründen selbst wird das auch deutlich, warum das Bundesverfassungsgericht die Einschränkung in den zwei Sätzen des Leitsatzes 2 nicht gemacht hat, bleibt völlig unverständlich. Es ist besonders ärgerlich, weil im Detail das Bundesverfassungsgericht eine sehr vernünftige Abwägung trifft, die in der Sache überzeugend ist. Aus Leitsätzen wird ganz häufig zitiert und Recht weiterentwickelt, ohne die in den Urteilgsgründen genannte Einschränkung auf kommerzielle Veranstaltungen oder gewinnorientierte Großveranstaltungen im Leitsatz besteht die Gefahr einer bewussten Missinterpretation der Entscheidung.

Konkret geklagt wurde, weil das Land Bremen eine Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung für polizeilichen Mehraufwand bei „gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen“ geschaffen hatte, der dann gegenüber den Veranstalter*innen nach einem sog. Hochrisikospiel der Bundesliga zur Anwendung kam. Die entsprechenden Gebühren hatten nicht die spielenden Fussballvereine zu zahlen, sondern die Veranstalterin, eine hundertprozentige Tochter der DFL Deutsche Fussball Liga e.V., die Mitglied im Deutschen Fussball Bund (DFB) ist.

Das Bundesverfassungsgericht weist in Rn. 46 darauf hin, dass die Beschwerdeführerin „bestimmenden Einfluss auf die Durchführung des betroffenen Fussballspiels hatte“. Prüfungsmaßstab war, ob die Gebühr der Berufsfreiheit in Form der Berufsausübungsfreiheit des Artikel 12 Abs. 1 S. 2 GG widerspricht, was das BVerfG zu Recht verneint. Die Gebührenordnung Bremen genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, weil sie legitimen Zwecken des Gemeinwesens dient, zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sowie angemessen ist (vgl. Rn. 63). Diese Einschätzung ist aus meiner Sicht richtig und wird weitgehend überzeugend dargelegt, denn es wird zunächst darauf verwiesen (Rn. 69), dass die erlassene Gebührenordnung darauf zielt, die Kosten für „private Veranstaltungen im öffentlichen Raum nicht durch die Gesamtheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern jedenfalls auch durch die (un)mittelbaren wirtschaftlichen Nutznießerinnen und Nutznießer der Polizeieinsätze“ tragen zu lassen. Im Rahmen der konkreten Prüfung verweist das Bundesverfassungsgericht (Rn. 83) zu Recht darauf, dass die Gebühr „aufgrund des Merkmals der Gewinnorientierung nur bei Veranstaltungen erhoben (wird), die zum Zweck der Gewinnerzielung durchgeführt werden“.

Immerhin können alle Fussballfreund*innen aufatmen, das Bundesverfassungsgericht attestiert dem Fussball in Rn. 85 ein hohes Gemeinwohlinteresse, welches „von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bis zu der teilweisen erheblichen Integrationsleistung des Fussballs“ reicht. Fussball und Deutschland ist dann auch noch mal ein Kapitel für sich, zumal hier ersichtlich auf den kommerziellen Fussball abgestellt wird.

 

 

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