So wäre zumindest meine Kurzfassung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Abschöpfung von Übergewinnen im Rahmen der Strompreisbremse.
Konkret ist die Entscheidung gut, weil die Strompreise bestätigt wurde. Abstrakt ist die Entscheidung problematisch, weil sie für andere Fälle konkreter Knappheit nicht per se Abschöpfungen erlaubt.
Das Hauptproblem der Entscheidung liegt im Leitsatz 3 (Ls 3), denn dieser besagt: „(…) Allein der Umstand, dass bei einer wettbewerblichen Preisbildung in Knappheitssituationen besonders hohe Gewinne oder Erlöse anfallen, kann deren Abschöpfung zugunsten der Verbraucher nicht rechtfertigen.“ Mal abgesehen davon, dass das mit dem Markt mit freier wettbewerblicher Preisbildung in Knappheitssituationen nicht so funktioniert, ist dies der Freibrief mit solchen Knappheitssituationen hohe Gewinne und Erlöse zu erzielen, auch zu Lasten von Verbraucher*innen. Mit Blick auf den Klimawandel und Klimawandelfolgen wird mir ganz anders. Ich denke z.B. an Wasserknappheit. Nach dem Urteil jedenfalls wäre eine „Wasserpreisbremse“ wohl nicht so einfach denkbar.
Aber noch mal zum Hintergrund, in diesen Zeiten wird ja schnell vergessen. Mit dem Strompreisbremsengesetz (StromPBG) aus dem Dezember 2022 wurde die Abschöpfung von Überschusserlösen bei Betreibern von Stromerzeugungsanlagen geregelt. Dies gehörte zu den Maßnahmen zur Abmilderung der in Folge des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine massiv gestiegenen Energiepreise. (Vielleicht erinnert sich der/die eine oder andere noch, wie nach dem Angriffskrieg sehr viele Menschen massiv Angst vor nicht bezahlbaren Stromrechnungen hatten.) Der Zeitraum der Anwendung war beschränkt. Gegen dieses Gesetz zogen Betreiber*innen von Anlagen zur Stromerzeugung aus Solarenergie, Windenergie und bester Biomasse vor das BVerfG. Die Strompreisbremse funktionierte so, dass die Überschusserlöse über einen privatwirtschaftlichen Wälzungsmechanismus innerhalb der Elektrizitätswirtschaft zu einem in sich geschlossenen Finanzkreislauf verbunden wurden, die Entlastung der Verbraucher*innen erfolgte durch die gesetzliche Festschreibung eines gesetzlich festgelegten monatlichen Entlastungsbetrages, den die Elektrizitätsversorgungsunternehmen in Form einer Absenkung der Stromkosten gewähren mussten. Die Strompreisbremse bewegte sich dabei im Rahmen einer EU-Notfallverordnung. Dies sah vor, die Überschusserlöse gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen zu verwenden, um die Strompreise abzumildern. Haushaltsmittel nur dürfen danach nur dann eingesetzt werden, „wenn die Überschusserlöse nicht ausreichen, um die Stromendkunden angemessen zu unterstützen“.
Wie bereits geschrieben, hat das BVerfG in Ls. 3 entschieden: „Allein der Umstand, dass bei einer wettbewerblichen Preisbildung in Knappheitssituationen besonders hohe Gewinne oder Erlöse anfallen, kann deren Abschöpfung zugunsten der Verbraucher nicht rechtfertigen.“ Das ist nichts anderes als ein klares Stoppschild für Abschöpfungen besonders hoher Gewinne oder Erlöse in Knappheitssituationen. Jedenfalls an sich. Es müssen immer bestimmte Bedingungen hinzutreten.
Begründet wird dies damit, dass die Gewinnabschöpfungsregelungen in das Grundrecht auf Berufsfreiheit des Art. 12 GG eingreifen (Rn. 64), eine Ausprägung der Berufsfreiheit ist die Unternehmensfreiheit mit dem Recht die unternehmerische Berufstätigkeit organisatorisch und vertraglich zu gestalten sowie „grundsätzlich Erlöse im Wege freier Preisbildung zu erwirtschaften“ (Rn. 66). Nach dem BVerfG beschränkt die Abschöpfung der Überschusserlöse nicht die Angebotsgestaltung, durch die Deckelung werde aber in die „Erlöserzielung durch Preisgestaltung eingegriffen (Rn. 68). Das BVerfG erläutert zudem, dass vom Begriff des Rechts der Wirtschaft im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auch die Steuerung und Lenkung der Wirtschaft insgesamt umfasst ist (Rn. 81).
Das zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit legitime Ziel ist nach Ansicht des BVerfG unter Bezugnahme auf den Gesetzgeber nicht etwa, dass für die Verbraucher*innen bezahlbarer Strom sichergestellt wird, sondern „ein Ausgleich der Interessen dieser Marktteilnehmer.“ (Rn. 85). Die Entlastung der Verbraucher*innen ist also lediglich ein „Nebenprodukt“. Konkret wird im vorliegenden Fall die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit vom BVerfG gesehen. Das ist die gute Nachricht. Das BVerfG weist daraufhin, dass „Strom kein Verbrauchsgut ist, auf das gegebenenfalls auch verzichtet werden kann. Vielmehr ist die Sicherung einer noch bezahlbaren Versorgung mit Strom von elementarer Bedeutung, um existenzielle Lebensbedürfnisse decken (…) zu können.“ (Rn. 116)
Die schlechte Nachricht ist, dass aus dieser richtigen Einschätzung nichts weiter folgt. Es wäre eine politische Auseinandersetzung wert, ob aus diesen Ausführungen nicht auch ein Verbot von Stromsperren folgen müsste. Das hatte das BVerfG zwar nicht zu entscheiden, aber aus dieser Aussage könnte sich ein Ansatzpunkt für ein Verbot von Stromsperren ergeben. Das große Problem der Entscheidung besteht aber in den weiteren Ausführungen des BVerfG in Ls. 3 und Rn. 118 ff., wenn darauf abgestellt wird (im Übrigen mit Verweis auf die außerordentlich hohen Gewinne aus der Veräußerung von FFP2-Masken zu Beginn der Corona-Pandemie), dass besonders hohe Gewinne und Erlöse aus der Veräußerung eines knappen Gutes „wichtige marktwirtschaftliche Funktion erfüllen“ können, „wenn sie Anreize zu verstärkten Investitionen setzen und damit eine die ursprüngliche Knappheit überwindende preisdämpfende Ausweitung des Angebots bewirken“ (Rn. 121). Das ist ein wenig wie Kirche oder vermeintlicher Sozialismus: Es muss erst ganz schlecht sein, bevor es gut wird. Ist schon toll, wenn aus einer Knappheit, die einen riesige Gewinne machen und dann der Investitionsanreiz kommt („wichtige marktwirtschaftliche Funktion“), in der Zwischenzeit aber andere finanziell ausgeschlossen sind. Das mag für das eine oder andere knappe (Konsum)Gut egal sein, aber bei Gütern von „elementarer Bedeutung, um existenzielle Lebensbedürfnisse (zu) decken“ ist es der Ausschluss von Menschen mit wenig finanziellen Mitteln und damit soziale Ausgrenzung. Das BVerfG hätte hier, wenn es sich schon auf die abstrakte Ebene begibt, ganz klar differenzieren müssen, eben weil Gut nicht gleich Gut ist. So aber steht der abstrakte Rechtssatz im Raum und jede Preisbremse für ein „Daseinsvorsorgegut“ muss juristisch durchgekämpft werden.