Protestcamp fällt unter den Schutz der Versammlungsfreiheit

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass ein Protestcamp -jedenfalls im Regelfall- unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fällt. Konkret hat das BVerwG geurteilt:

„Eine infrastrukturelle Einrichtung eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfällt dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist oder für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist.“

Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere noch an die Debatten um Protestcamps bei den G20-Protesten in Hamburg. Auch damals war die rechtliche Einordnung ein großes Thema.

Das BVerwG definiert (Rn. 17) ein Protestcamp als „eine neuere, zunehmende Verbreitung findende Form kollektiven Protests„. Typischerweise werden sie an einem Ort veranstaltet, „der einen Bezug zu dem jeweils inmitten stehenden Thema hat„. Sie seien Veranstaltungen „mit einer zeitlichen Perspektive von einigen Tagen bis in Einzelfällen auch zu mehreren Jahren“.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Thema Protestcamps liegt bislang allein im Rahmen einer Eilentscheidung (zum G20-Gipfel 2017) vor, so dass dem Urteil des BVerwG eine besondere Bedeutung zukommt.

Die Entscheidung des BVerwG, ein Protestcamp dem Schutz der Versammlungsfreiheit zu unterstellen, ist ausdrücklich zu begrüßen. Eine andere Entscheidung hätte nämlich eine Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit bedeutet, weil eine wichtige Versammlungsform dem speziellen Schutz der Versammlungsfreiheit entzogen worden wäre.

Auch rechtlich ist die Entscheidung schlüssig. Denn, so das BVerwG in Wiederholung der ständigen Rechtsprechung in Rn. 19, eine  „Versammlung ist in ihrem Kern eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung„. Unter Bezugnahme auf die Eilentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2017 wird dann anerkannt (Rn. 21), dass der Versammlungsbegriff generell offen für Fortschreibungen ist. Es wird dann -ebenfalls in Fortschreibung der Eilentscheidung des BVerfG- formuliert:

Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob eine derart gemischte Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Kann ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festgestellt werden, bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln ist.

Auch das ist aus meiner Sicht logisch und richtig. Denn andernfalls wäre eine Versammlung, die zu ihrer Absicherung auch einen organisatorischen Rückzugsraum wie Zelte und Versorgungsreinrichtungen benötigt, nicht von der Versammlungsfreiheit geschützt – und das wäre bei diesem für eine Demokratie elementaren Grundrecht ein großes Problem.

Und dies folgt auch, wie das BVerwG richtig in Rn. 22 feststellt, dem Gedanken, nachdem der Versammlungsfreiheit innewohnt, dass der Veranstalter einer Versammlung grundsätzlich über deren Zeitpunkt und damit auch über deren Dauer bestimmt.

So begrüßenswert das Urteil des BVerwG bis hierhin ist, so bedauernswerter ist die dann doch in Rn. 23 vorgenommene Einschränkung, wonach im Rahmen der Beurteilung durch die Behörden, ob eine Veranstaltung eine Veranstaltung ist, im Fall „eines Camps mit einer absehbar sehr langen, etwa auf viele Monate oder gar Jahre angelegten Dauer“ dies ein  „Indiz dafür sein (kann), dass mit dem Camp tatsächlich kein versammlungsspezifischer Zweck verfolgt wird„. Mit der Berufung auf diese Passage bleibt es nämlich möglich, dass die abstrakt richtig aufgestellten Kriterien für eine Versammlung im konkreten Fall von den Behörden „einkassiert“ werden, weil die Versammlung zu lange dauert. Ob es dann hilft, dass das BVerwG eine Brücke baut, indem es im Hinblick auf ein Protestcamp nahe legt, dass der Veranstalter „den versammlungsspezifischen Zweck im Sinne einer auf die voraussichtliche Dauer bezogenen Gesamtkonzeption“ substantiiert, wird sich zeigen müssen. Immerhin ist diese Brücke ein kleiner Hinweis für Veranstalter von Protestcamps, was sie konkret darlegen müssen, wenn sie die Veranstaltung anzeigen.

Wichtig ist noch die Klarstellung (Rn. 27), dass eine

infrastrukturelle Einrichtung eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps (…) dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG nicht nur dann (unterfällt), wenn sie einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist. Vielmehr wird ihr dieser Schutz auch dann zuteil, wenn sie für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist.

Voraussetzung ist allerdings, was sich meiner Meinung nach aus der Voraussetzung „logistisch erforderlich“ ergibt, dass es eines „qualifizierten räumlichen Zusammenhangs“ bedarf.

 

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