Referentenentwurf will PKH-Empfänger_innen stärker zur Kasse bitten

PKH steht für Prozesskostenhilfe.  Mit der Prozesskostenhilfe soll Menschen mit geringem Einkommen und Transferleistungsbeziehenden der Zugang zu Gerichten ermöglicht werden. Der Idee nach soll die Prozesskostenhilfe der Verwirklichung des Grundsatzes der Rechtsschutz- und Rechtswahrnehmungsgleichheit dienen. Schon jetzt könnte darüber gestritten werden, ob sie das wirklich leistet. Auf keinen Fall leistet das aber der jetzt vorgelegte Referentenentwurf zur Änderung der Prozesskosten- und Beratungshilfe.

Der Referentenentwurf selbst macht klar, in welche Richtung es gehen soll:  die missbräuchliche Inanspruchnahme von Beratungshilfe und PKH soll verhindert werden und dadurch sollen die kontinuierlich gestiegenen Ausgaben für Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe gesenkt werden. Ein alt bekanntes Muster also. Die Haushalte  werden belastet durch die missbräuchliche Inanspruchnahme von Rechten. Pauschal wird ein Bild gemalt, nachdem finanziell schlechter gestellte Menschen und Transferleistungsbeziehende die Steuerzahler_innen belasten und dem endlich ein Riegel vorgeschoben werden muss. Es liest sich ja auch gut, wenn erklärt wird, die Länderhaushalte sollen dadurch um 64,8 Millionen EUR (PKH) und noch einmal 6 Millionen EUR (Beratungshilfe) entlastet werden.

Ich zumindest habe in dem Referentenentwurf keine Zahlen über die missbräuchliche Inanspruchnahme von PKH und Beratungshilfe gefunden (auch die aufgeführte Tabelle mit den Zahlen abgelehnter PKH-Anträge ist kein Beleg, denn die Gründe für die Ablehnung sind nicht dargelegt). Dafür lese ich auf Seite 29/30: Die Ursachen für den Ausgabenanstieg liegen zum einen in Gebührensteigerungen im Bereich der Beratungshilfe seit dem Inkrafttreten des  echtsanwaltsvergütungsgesetzes zum 1. Juli 2004. Insbesondere aber sind sie auf einen stetig steigenden Geschäftsanfall in Beratungshilfesachen zurückzuführen sowie auf eine stetig gestiegene Anzahl der Fälle, in denen Beratungshilfe auch für die außergerichtliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt bewilligt wird. Als Hauptursachen für die gestiegenen Antragszahlen ist in Übereinstimmung mit dem Bundesratsentwurf (BT-Drs. 17/2164, S. 11) zum einen eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zahlreicher Haushalte im Bereich der Geringverdiener auszumachen, zum anderen, dass sich eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Antragstellern auch in solchen (Alltags-)fällen anwaltlicher Hilfe bedient, in denen ein selbst zahlender Bürger – zumindest zunächst – hierauf verzichtet hätte.“  Das ist schon irgendwie toll. Eigentlich zu wissen, dass es nicht am Missbrauch liegt, es aber dennoch zu behaupten. Erst die soziale Lage durch politisch unverantwortliches Handeln verschlechtern und dann die Betroffenen dafür in Haftung nehmen und finanziell schlechter gestellte Menschen und Transferleistungsempfangende erneut ein kleines Stück mehr aus der Gesellschaft herausdrängen. Das macht mich wütend.

Was soll nun aber konkret passieren?

1. Das Gericht wird zu einer Datensammelstelle. Im Referentenentwurf heißt es: „… dass die Gerichte die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (die Bedürftigkeit) umfassend  aufklären, um auf diese Weise ungerechtfertigte Prozesskostenhilfebewilligungen zu vermeiden und der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe entgegenzuwirken…“. Was unter umfassender Aufklärung zu verstehen ist, wird dann auch noch erläutert:  Das Gericht (!!!) kann zukünftig Auskünfte über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Sozialversicherungen, Arbeitgebern und Finanzämtern einholen sowie  Zeugen zur Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse laden. Datenaustausch, Datenabfrage wo immer es geht.  Will jemand PKH haben, dann muss er das alles über sich ergehen lassen. Und auch hier wieder der Gestus, bislang gab es ein ungeheures Ausmaß an Missbrauch und dem muss durch diese Maßnahmen begegnet werden.

2. Prozesskostenhilfeempfänger_innen werden stärker zur Finanzierung der der Prozesskostenhilfe herangezogen. Dazu heißt es im Referentenentwurf: … durch die Absenkung von Freibeträgen, die Verlängerung der  Ratenzahlungshöchstdauer um zwei Jahre und die Neuberechnung der PKH-Raten werden die  Prozesskostenhilfeempfänger in stärkerem Maß als bisher an der Finanzierung […] beteiligt.“ Nach den Berechnungen im Referentenentwurf werden ca. 20 Prozent der Menschen die bislang ratenfreie PKH bewilligt bekommen haben nun Raten zahlen müssen.

3. Durch die Definition der „Mutwilligkeit“ in § 114 Abs. 2 ZPO wird der Grundsatz der Rechtsschutz- und Rechtswahrnehmungsgleichheit verletzt. Der Referentenentwurf schlägt folgendes vor: „Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.“  Da steht tatsächlich, dass jemand der Aussicht auf Erfolg in einem Rechtsstreit hat dann mutwillig (und damit missbräuchlich) Prozesskostenhilfe beantragt, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände jemand der keine PKH beantragen kann, nicht vor Gericht gehen würde. Das heißt nichts anderes als: Du bist im Recht, aber die Mittel zu deinem Recht zu kommen verweigere ich dir. Vielleicht macht es für jemanden der keinen Anspruch auf PKH hat tatsächlich keinen Sinn um 100 EUR vor Gericht zu streiten, für eine/n Transferleistungsempfangenden oder einen Menschen mit geringen finanziellen Mitteln macht es sehr wohl Sinn.  Aber wie heißt es im Referentenentwurf: die Prozesskostenhilfe steigt u.a. auch wegen einfacher Auseinandersetzungen mit dem Vermieter. Wer weiß, mit welchen Mitteln heutzutage zum Teil Vermieter agieren, der weiß auch, dass man da mit einem Anwalt immer besser fährt als ohne.

Wer sich den Referentenentwurf genauer ansieht wird merken, auch noch im Detail gibt es Regelungen die völlig inakzeptabel sind, ich deute hier nur mal an: Aufhebung der PKH-Bewilligung für einzelne Beweiserhebungen.

Dieses Gesetz, würde es so beschlossen werden, wäre ein weiterer Schritt Menschen mit finanziell begrenzten Mitteln aus der Gesellschaft und von der Wahrnehmung gesellschaftlicher Rechte auszugrenzen. Deshalb sollte dieser Referentenentwurf  einfach ein Referentenentwurf bleiben und erst gar nicht in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden.

5 Replies to “Referentenentwurf will PKH-Empfänger_innen stärker zur Kasse bitten”

  1. Unabhängig von der Absicht der Gesetzgeber muss man den Leuten anraten, sich zumindest im Sozial- und Arbeitsrecht durch eine Gewerkschaftsmitgliedschaft abzusichern. Wer wenig verdient oder Sozialleistungen beziehen muss, der zahlt beispielsweise bei Ver.di einen monatlichen Beitrag von 2,5 € und erhält dafür nach sechs Monaten Mitgliedschaft einen vollständigen Arbeits- und Sozialrechtsschutz (Das heißt auch, für bereits laufende Verfahren gilt der Arbeits- und Sozialrechtsschutz nicht.). Das ist trotzdem das Mindeste, was man für sich selbst tun kann und sollte.

  2. Hallo,

    der Entwurf ist wohl auch auf Druck des Bundesrates vorgelegt worden:

    http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2012/0112-12B.pdf

    Entschließung des Bundesrates zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG), Beschluss vom 30.03.2010

    Dort heißt es u.a.: „…

    Der Bundesrat hält es außerdem für unabdingbar notwendig, das Gesetzgebungsverfahren zur Kostenbegrenzung im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht im zeitlichen Gleichlauf mit dem Gesetzgebungsverfahren für das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts durchzuführen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, entweder den bereits wiederholt eingebrachten Bundesratsinitiativen Fortgang zu geben oder unverzüglich einen Gesetzentwurf auf der Grundlage des Eckpunktepapiers des Bundesministeriums der Justiz zur Kostenbegrenzung im Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferecht vorzulegen.
    …“

    Der Bundesrat ist meines Wissens mindestens 2 mal mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative gescheitert, die Prozesskosten- und Beratungshilfe zu begrenzen, Druck-Sachen 17/1216 und 17/2164

    Die Regierung hatte im April 2010 auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken:

    http://www.bundestag.de/presse/hib/2010_04/2010_103/01.html

    Der jetzige Entwurf unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von den früheren Entwürfen des Bundesrates.

    Jetzt wollen die Länder also mehr Geld in die Gerichtskassen spülen, daneben die Kröte schlucken, auch den Anwälten vielleicht mehr zahlen zu müssen und dabei durch die Begrenzung der Prozesskosten- und Beratungshilfe erreichen, dass sich das in Grenzen hält.

    Wer’s ausbadet, ist der Bürger, aber auch die Anwälte, die vielfach bei wenig steigenden Einkommen aber stetig steigenden Ausgaben der Rechtssuchenden Prozesskostenhilfe-/Beratungshilfemandate in steigender Anzahl zu bearbeiten haben.

  3. Herrn Holzschuher ist zuzustimmen, der Bundesrat macht seit 2008 enormen Druck auf die Bundesregierung. In 2008 wurden ähnliche Entwürfe bereits von den Ländern Sachsen-Anhalt und NRW im Bundesrat eingebracht, die von der damaligen Bundesjustizministerin Zypries noch abgeschmettert wurden

    Die Beratungshilfe könnte ja nach dem Vorbild der Stadtstaaten Bremen und Hamburg dahingehend umgestaltet werden, dass bei den Amtsgerichten (durch Rechtsanwälte) öffentliche Rechtsberatung angeboten wird (§ 12 BerHG). Die meisten Rechtsanwälte haben derzeit anggesichts der teilweise sehr rigiden Bewilligungspraxis – verständlicherweise – jetzt schon keinen Bock mehr auf Beratungshilfemandate.

    Die Beschränkung der PKH ist jedoch angesichts des Sozialabbaus und der hohen Fallzahl bei den Sozialgerichten im Bereich der Grundsicherung absolut unverantwortlich. Wer mal mit Hartz IV oder Sozialhilfe auskommen musste, weiß, dass auch 5,00 € existenziell wichtig sein können!

    Allerdings hat die bisherige PKH schon große Schwächen. Zum einen hilft sie der unbemittelten Partei leider gar nicht bezüglich der gegnerischen Anwaltskosten (im Zivil- und teilweise auch im Verwaltungsgerichtsprozess).

    Desweiteren werden hier nur die Freibeträge aus der Sozialhilfe für die Bedürftigkeitsprüfung herangezogen. Es wäre im Sinne der Gleichbehandlung aber dringend geboten, diese auf die Freibeträge nach dem SGB II „hochzuziehen“.

    Wann kommt ein Gegenentwurf der LINKEN?

    Viele Grüße

    Thomas Gabriel

  4. Pingback: Blog von Halina Wawzyniak, MdB, DIE LINKE

  5. Ich bin seit Januar ’13 Neu-Mitglied (# 350227203). Auf dieses Blog hier bin ich heute morgen aufmerksam geworden.

    Die Petition # 38829, die sich gegen das Vorhaben der Regierung wendet, wurde mir am 3.02.13 bekannt. Ich habe am selben Tag gezeichnet und mangels mir bekannter und qualifizierter Ansprechpartner meinen Kontakt zur Partei hier am Ort – neben weiteren auch den NRW-Landesverband und den Partei-Vorstand – angemailt um auf die Petition aufmerksam zu machen. Mein Gedanke war: ~ 72.000 Mitglieder, wenn nur die Hälfte mitmacht ist der „Drops (fast schon) gelutscht“. Am 6.02. und am 13.02. habe ich nachgefasst da ich bis dahin immer noch keine Info zum Thema geschweige den Antwort auf meine Mails erhalten hatte … bis heute: Außer alle paar Tage irgend eine Rundmail gegen Drohnen, gegen Waffenexporte, gegen … alles wichtige
    Themen, zur Petition: Nichts, nada, Null!

    Nun erwarte ich nicht, dass seit dem Tag meines Beitritts sich der „ganze Laden“ nur noch um mich dreht. Ich erwarte aber, dass man sich außer um Drohnen & C‎o. auch den Menschen in Deutschland zuwendet. Das MUSS die Hauptaufgabe einer linken Partei sein! Gerade vor dem Hintergrund, dass selbst die potentiell und tatsächlich Betroffenen sich offensichtlich nicht selber um ihre eigenen Anliegen kümmern (kümmern können??). Meine Diagnose: Diese Menschen sind schlicht überfordert oder einfach nur vom „System“ paralysiert.

    Das erste Treffen meines Kreisverbandes im Januar habe ich verpasst, beim nächsten Treffen werde ich sicher dabei sein und für mich überprüfen, ob ich eine Zukunft in der Partei Die Linke für mich erkennen kann. Der Start war denkbar ungünstig.

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