Zwischen fassungslosem Kopfschütteln und zynischem Lachen

An anderer Stelle habe ich bereits auf die morgen stattfindende Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages zur sog. Funkzellenüberwachung hingewiesen. Nun liegen die ersten Stellungnahmen für die Anhörung vor und lassen mich mit einer Mischung aus fassungslosem Kopfschütteln und zynischem Lachen zurück.

Die Stellungnahme von Eisenberg ist kurz und knapp aus der Sicht eines Praktikers. Sie lässt eigentlich den Schluss zu, dass die Funkzellenabfrage abgeschafft gehört, auch wenn er am Ende konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung der Funkzellenabfrage vorlegt.

Zum selben Ergebnis müsste eigentlich auch der Sachverständige Buermeyer in seiner Stellungnahme kommen, denn das was er zur Funkzellenabfrage schreibt ist komplett überzeugend, wenn man ihre Abschaffung will. Wer wissen will, wie so eine Funkzellenabfrage funktioniert, schaut am besten auf Seite 4 nach. Dort heißt es: „Übermittelt werden seitens der Provider insbesondere die weltweit eindeutigen Kennungen der Endgeräte, die sog. IMEI3 sowie der verwendeten SIM-­‐Karten, die sog. IMSI4. Daneben können aber auch eine Reihe weiterer Umstände der Telekommunikation im Sinne des Art. 10 Abs. 1 GG, nämlich der genaue Zeitpunkt, die Art der Kommunikation (Telefonie, SMS, MMS oder Interneteinwahl), die Richtung der Kommunikation (ankommend oder abgehend), ggf. die Dauer der Verbindung in Sekunden, die A-­Nummer (Rufnummer des Teilnehmers in der Zelle), die B-­Nummer (Rufnummer des Angerufenen) sowie je nach Netzbetreiber auch die B-­‐IMEI sowie die B-­‐IMSI (IMEI und IMSI des Kommunikationspartners) übermittelt werden.“ Buermeyer will die kriminalistische Sicht einbringen und erklärt:“Aus kriminalistischer Perspektive ist die nichtindividualisierte FZA in Kombination mit der Auswertung der so erhobenen Daten insbesondere zur Konkretisierung eines Anfangsverdachts gegen Unbekannt auf konkrete Personen von Interesse.“ Das muss man dann zweimal lesen: Es geht also um einen Anfangsverdacht gegen Unbekannt und die Funkzellenabfrage soll diesen Anfangsverdacht gegen Unbekannt einer konkreten Person zuordnen. Im Gegensatz zu Schnabl und Studenroth. die die Funkzellenabfrage herunterspielen, macht Buermeyer aber konkret wie die Zuordnung des Anfangsverdachtes das funktioniert:“Regelmäßig wird etwa im Nachgang zum Herausfiltern einiger IMEI-­ und IMSI-­ Nummern eine -­ keinem Richtervorbehalt unterliegende -­Bestandsdatenabfrage beim Diensteanbieter gemäß §§ 112 Abs. 2 und 4, 113 Abs. 1 TKG veranlasst, um auf konkrete Personen zu schließen, gegen die weitere Ermittlungsschritte unternommen werden können.“ Wenn Buermeyer nun aber auf die kriminialistische Sicht abstellt, wäre ja zu erwarten, dass er Zahlen und Beispiel bringt, wo sich eine Funkzellenabfrage als erfolgreich oder hilfreich erwiesen hat. Doch Buermeyer überrascht: Die nichtindividualisierte FZA darf allerdings in ihrem kriminalistischen Wert – ebenso wie etwa die sog. IP8-­Adresse – auch nicht überschätzt werden. Vor allem ist daran zu denken, dass der Aufenthalt eines Endgerätes innerhalb eines bestimmten Bereichs auch zu mehreren tatrelevanten Zeitpunkten zufällig vorkommen kann. (…) Weitere kriminalistische Probleme ergeben ich aus der relativ unzuverlässigen Zuordnung zwischen SIM-­Karte bzw. Endgerät und Nutzer: Zwar sieht § 112 Abs. 1 TKG vor, dass Diensteanbieter zu den von ihnen ausgegebenen SIM-­Karten die persönlichen Daten ihrer Vertragspartnern zu erheben haben. Doch werden insbesondere sog. Prepaid-­Karten oft weitergegeben; außerdem sind die erhobenen Daten nicht unbedingt zuverlässig, z.B. weil Anbieter bei der Freischaltung von SIM-­Karten im Internet beliebige Phantasieangaben akzeptieren, solange nur die Adresse automatisch verifiziert werden kann. Für die Zuordnung von Endgeräten und Nutzern gibt es gar keine systematisch geführten Datenbanken.“ Wenn man nicht wie ich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Funkzellenabfrage ist, fragt man sich doch nach diesen Äußerungen, warum der Sche*** dann gemacht wird. Spätestens im Rahmen der Verhältnismäßigkeit muss man doch an dieser Stelle sagen: Wir lassen das. Doch Buermeyer sieht dies anders. Er meint zwar, dass aus verfassungsrechtliche Sicht eine Abschaffung der Funkzellenabfrage möglich sei, sieht sie aber nicht als geboten an. Doch warum und weshalb, das verschweigt er. Ich jedenfalls habe beim Lesen zu dieser Gebotenheit leider nichts gefunden und werde wohl morgen in der Anhörung diesbezüglich nachfragen müssen.

Doch das ist alles nichts gegen die Stellungnahme von Oberstaatsanwalt Schnabl. Schnabl sieht, ohne es direkt anzusprechen, in der Funkzellenüberwachung eine geeignete Maßnahme, denn ein „Auskunftsverlangen über Verkehrsdaten anhang von Funkzellenabfragen hat sich in der Praxis als wichtige Ermittlungsmaßnahme insbesondere zur Ermittlung noch unbekannter Täter schwerer Straftaten erwiesen.“ Später nennt Schnabl Ermittlungsmaßnahmen, die ziehen einem dann die Schuhe aus. Doch zunächst sei einmal festgehalten: Um unbekannte Täter zu ermitteln, soll eine nicht näher definierter Teil der Bevölkerung im Kommunikationsverhalten erfasst werden.  Allein hier muss man aus rechtsstaatlichen Gründen laut sagen: Nein! Angesichts der dann folgenden Ausführungen möchte ich nie von Staatsanwalt Schnabl angeklagt werden. Was für ein Rechtsverständnis? Die Gesetzentwürfe gehen zunächst davon aus, dass Funkzellenabfragen einen erheblichen Grundrechtseingriff für zahlreiche Personen, deren Daten erhoben wurden, bedeuten. Dies ist in dieser Pauschalität nicht zutreffend.“ Nein, es ist kein Grundrechtseingriff gegen zig unbeteiligte Personen, wenn ihr Kommunikationsverhalten erfasst wird? Wieso dies nicht der Fall ist, erklärt Schnabl nicht, was ebenfalls zur einer Nachfrage in der Anhörung führen dürfte. (An dieser Stelle sei einmal auf den leicht rassistischen Ausfall auf Seite 6 unter b) verwiesen). Richtig absurd aus meiner Sicht wird es aber, wenn Schnabl sich damit auseinandersetzt, dass eine Beschränkung der Anlassstraftaten nicht stattfinden soll, sondern -wie nach der bisherigen Rechtslage- eine Funkzellenabfrage auch bei Einbruchdiebstählen oder sog. Enkeltrickfällen angewendet werden soll. Eigentlich ist man verwundert, dass an dieser Stelle Schnabl nicht gleich fordert, ständig und immer eine Funkzellenabfrage zu machen. Betrifft zwar jede Menge unbeteiligter Bürger/innen aber der Zweck heiligt ja bekanntlich die Mittel.  🙁  Der absolute Höhepunkt ist allerdings sein Resümee: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Gesetzentwürfe und ihre Begründungen ein erhebliches Misstrauen gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten erkennen lassen, welches jedoch nicht gerechtfertigt ist und die Aufklärung von Straftaten in den Hintergrund rücken lässt. Die Vorgänge um die Funkzellenauswertung in Dresden stellen einen Ausnahmefall dar.“ Ja klar und die Funkzellenüberwachung die jetzt in Berlin bekannt geworden ist, ist auch ein Ausnahmefall. Man muss grundsätzlich davon ausgehen, dass von der Funkzellenüberwachung sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht wird. Ich nenne sowas Realitätsverlust.

In den Worten nicht ganz so drastisch, aber vom Inhalt her in die gleiche Richtung geht übrigens auch der Sachverständige Studenroth. Immerhin sieht dieser ein, dass mit der Funkzellenabfrage in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird. Allerdings sieht er die Intensität des Eingriffs als nicht so erheblich an, da die Funkzellenabfrage „nur zur Vorlage einer im Vorhinein nicht nicht zu berechnenden Anzahl von Telefonnummern“ führt. Studenroth führt auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, deren Ergebnis ich allerdings nicht teilen kann. Auch er -wie Schnabl- spricht im Hinblick auf Dresden von einem „Sonderfall“. Auch er nennt als Beispiel zur Notwendigkeit der Funkzellenüberwachung die sog. Enkeltrickfälle. In der Stellungnahme von Studenroth ist mir allerdings noch etwas anderes aufgefallen. Er schreibt:„Die Strafprozessordnung unterscheidet derzeit in einem Stufenmodell anknüpfend an die Eingriffsintensität zwischen „besonders schweren Straftaten“, die für eine Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO) vorliegen müssen, „schweren Straftaten“, die die Grundlage für eine Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO) bilden können, und „erheblichen Straftaten“ als Voraussetzung beispielsweise der Funkzellenabfrage (§ 100g StPO). (…)Dass die Abfrage von Verkehrsdaten aus diesem Kreis der Ermittlungsmaßnahmen herausgehoben und in ihrer Eingriffsintensität der inhaltlichen Telekommunikationsüberwachung gleichgestellt werden soll, erscheint nicht gerechtfertigt.“ Nun vertritt ja DIE LINKE die Position, dass die Funkzellenüberwachung generell abgeschafft gehört. Aber mit dieser Aussage macht Herr Studenroth es sich zu einfach. Er stelle allein auf die individuelle Eingriffsintensität ab, nicht aber auf die sich aus der Tatsache des Eingriffs in die Grundrechte von zig Bürgerinnen und Bürgern ergebende Eingriffsintensität.

Kurz und gut: Es gibt überzeugende rechtsstaatliche Gründe auf die Funkzellenabfrage komplett zu verzichten. Ein Überwachung des Kommunikationsverhaltens von Bürgerinnen und Bürgern auf den Verdacht hin, es könne ein Straftäter/eine Straftäterin unter ihnen sein ist ein Türöffner für noch ganz andere Überwachungsmethoden. Aber selbst wenn man diesen Standpunkt nicht teilt, haben jedenfalls die bisher vorliegenden Gutachten nicht im Ansatz darstellen können, worin die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestehen soll. Vielleicht gibt es ja morgen in der öffentlichen Anhörung mündlich noch eine Erklärung dazu.

 

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