An dieser Stelle habe ich mich schon einmal mit Parteitagen und Wahlaufstellungen in Zeiten der Corona-Pandemie beschäftigt.
Nun hat in dieser Woche der Bundestag (genauer am 28. Januar 2021) die Wahlbewerberaufstellungsverordnung beschlossen.
Deswegen will ich hier noch einmal kurz erläutern, was das jetzt praktisch bedeutet.
Parteitage mit Vorstandswahlen
Wer eine Pandemieregelung im Parteitengesetz sucht, wird scheitern.
Die Regelung zu Vorstandswahlen und Parteitagen ist eine Mischung aus dem Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzesund des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-,Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrechtzur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie einerseits und dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohneigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19 Pandemie andererseits. Werden beide Regelungen zusammengepackt, sieht das dann so aus:
§ 5
(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.
(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.
(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
(4) Absatz 1 gilt für Vorstandsmitglieder und Vertreter in den sonstigen Organen und Gliederungen der Parteien entsprechend. Absatz 2 Nummer 1 gilt für Mitglieder- und Vertreterversammlungen der Parteien und ihrer Gliederungen sowie ihrer sonstigen Organe entsprechend. Dies gilt nicht für die Beschlussfassung über die Satzung und die Schlussabstimmung bei Wahlen nach § 9 Absatz 4 des Parteiengesetzes. Die Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung im Wege der Briefwahl oder auch zeitlich versetzt als Urnenwahl an verschiedenen Orten zulassen. § 17 Satz 2 des Parteiengesetzes bleibt unberührt.“
Für die Auslegung und den Willen des Gesetzgebers ist ein Blick in die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses hilfreich. Praktisch heißt das für Parteitage mit Vorstandswahlen folgendes.
- MItgliederrechte können online wahrgenommen werden. Zu den Mitgliederrechten gehören im Regelfall Kandidatur-, Rede-, Vorstellungs-, Abstlmmungs- und Wahlrecht. Zum Wahlrecht gehört, soweit es sich um eine Vertreter:innen-Versammlung (Parteitag) handelt und ein Parteimitglied delegiert wurde, auch das aktive Wahlrecht. Aktives Wahlrecht heißt: selbst abszustimmen.
- Eine reine und ausschließliche Online-Wahl des Vorstandes auf einem Parteitag ist unzulässig. Dies ergibt sich aus der Begründung: „Satz 3 stellt klar, dass die Ausübung von Mitgliedsrechten im Wege der elektronischen Kommunikation aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht für die Schlussabstimmungen bei innerparteilichen Wahlen nach § 9 Absatz 4 des Parteiengesetzes sowie die Beschlussfassung über die Satzungen der Parteien gilt. Die elektronische Durchführung der Schlussabstimmung ist bei innerparteilichen Wahlen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich.“
- Nicht ausgeschlossen ist eine elektronische Vorermittlung oder Vorauswahl. Auch dazu sagt die Begründung etwas, nämlich das ein milderes Mittel als eine Online-Wahl möglich sei, die „Durchführung von Wahlen mit einer Schlussabstimmung im Wege der Briefwahl“. Konkret, so die Begründung, können elektronische Verfahren „zur Vorermittlung, Sammlung und Vorauswahl der Bewerber genutzt werden“, die Schlussabstimmung muss aber schriftlich mit Stimmzetteln, „notfalls im Wege der Briefwahl“ durchgeführt werden.
Aufstellung von Wahlbewerber:innen für den Bundestag
Die grundsätzliche Regelung wurde im November 2020 beschlossen, mit der der § 52 BWahlG geändert wurde. Für eine Abweichung vom „normalen“ Aufstellungsverfahren gilt demnach
- Der Bundestag muss feststellen, dass die Durchführung von Versammlungen ganz oder teilweise unmöglich ist. Dies hat der Bundestag am 14. Januar 2021 in namentlicher Abstimmung getan.
- Das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat trifft abweichende Regelungen zur Aufstellung der Wahlbewerber:innen, soweit die Feststellung nach Ziffer 1 stattgefunden hat un der Bundstag stimmt diesen Regelungen zu. Dies hat der Bundestag am 28. Januar 2021 getan, indem er über die Beschlussempfehlung abgestimmt hat.
- Wenn die Ziffern 1 und 2 erfüllt sind, kann abweichend vom „normalen Verfahren“ die Aufstellung von Wahlbewerber:innen stattfinden.
Diese abweichende Aufstellung unterliegt aber bestimmten Anforderungen, die sich aus einer Gesamtschau des § 52 Abs. 4 und der Verordnung ergeben. Der § 52 Abs. 4 BWahlG stellt „insbesondere“ 4 Optionen auf.
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Verringerung der satzungsgemäßen Zahl der Vertreter in der Vertreterversammlung oder anstatt Mitgliederversammlung Durchfürhung einer Vertreterversammlung
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Mitglieder- oder Vertreterversammlungen in der Form mehrerer miteinander im Wege der elektronischen Kommunikation verbundener gleichzeitiger Teilversammlungen an verschiedenen Orten
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Wahrnehmung des Vorschlagsrechts, des Vorstellungsrechts und der sonstigen Mitgliederrechte mit Ausnahme der Schlussabstimmung über einen Wahlvorschlag ausschließlich oder zusätzlich im Wege elektronischer Kommunikation
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Wahl von Wahlbewerbern und Vertretern für die Vertreterversammlungen im Wege der Briefwahl oder einer Kombination aus Urnenwahl und Briefwahl
Das bedeutet, analog zu den Ausführungen zu Parteitagen, dass auch insoweit eine elektronische Vorauswahl getroffen werden kann, in jedem Fall aber eine abschließende Abstimmung per Brief- oder Urnenwahl notwendig ist.
Die weitere Untersetzung, auch für die praktische Handhabung, steht in der Verordnung. Nach dereen § 3 sind Abweichungen von der Satzung möglich, soweit diese sich im Rahmen der Verordnung bewegen. Einen solchen Beschluss zur Möglichkeit der Abweichung „trifft für alle Gliederungen der Partei im Land der Landesvorstand“. Das bedeutet zunächst, wenn der Landesvorstand einer Partei die Abweichungsoption nicht beschließt, kann diese nicht genutzt werden. Die Verordnung trifft anschließend Aussagen zu verschiedenen Varianten der Abweichung.
Der § 5 regelt die Versammlungen mit elektronischer Kommunikation. Aufstellungsversammlungen für Wahlbewerber:innen können mit Ausnahme der Schlussabstimmung ganz oder teilweise im Wege der elektronischen Kommunikation durchgeführt werden. Das bedeutet, es sind sowohl auschließlcih elektronische Aufstellungsversammlungen möglich, als auch Hybrid-Versammlungen. Bei einem schriftlichen Verfahren nach § 6 können Vorstellung und Befragung zusätzlich durch Nutzung elektronischer Medien erfolgen. Aus dem § 7 ergibt sich, dass die Schlussabstimmung nicht elektronisch erfolgen kann. Dort heißt es nämlich:
„Die Schlussabstimmung über einen Wahlvorschlag kann im Wege der Urnenwahl, der Briefwahl oder einer Kombination aus Brief- und Urnenwahl durchgeführt werden, … .“
Dies wird durch die Begründung zu § 5 unterstrichen, in dem es heißt:
„Da § 5 Absatz 1 Satz 1 mit Ausnahme der Schlussabstimmung die gesamte Versammlung umfasst, können auch das Vorschlagsrecht der Vorschlagsberechtigten, das Vorstellungsrecht der Bewerber und die sonstigen Mitgliederrechte im Wege elektronischer Kommunikation wahrgenommen werden. Die Schlussabstimmung ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgenommen.“
Im Hinblick auf den § 7 formuliert die Begründung dann genauer:
„Der Wahlgrundsatz der Öffentlichkeit der Wahl aus Artikel 38 i. V. m. Artikel 20 Absatz 1 und 2 GG gebietet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen. Ein Wahlverfahren, in dem der Wähler nicht zuverlässig nachvollziehen kann, ob seine Stimme unverfälscht erfasst und in die Ermittlung des Wahlergebnisses einbezogen wird und wie die insgesamt abgegebenen Stimmen zugeordnet und gezählt werden, schließt zentrale Verfahrensbestandteile der Wahl von der öffentlichen Kontrolle aus und genügt daher nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (…). Elektronische Abstimmungsverfahren sind darum im Verfahren der Wahlbewerberaufstellung nicht für die Schlussabstimmung zugelassen. Schlussabstimmungen sind die endgültigen Abstimmungen über einen Wahlvorschlag. Bei der Wahlbewerberaufstellung können elektronische Verfahren zur Vorermittlung, Sammlung und Vorauswahl der Bewerbungen benutzt werden. Sie sind aber nur im Vorfeld und als Vorverfahren zur eigentlichen, schriftlich mit Stimmzetteln geheim durchzuführenden Abstimmung der Stimmberechtigten zulässig (…)“
Im Kern gilt also nach der Verordnung genau das, was auch für die Wahl von Parteitagen aufgeschrieben wurde.
Aufstellung von Wahlbewerber:innen für Landtags- und Kommunalwahlen
Für die Aufstellung von Wahlbewerber:innen für Landtags- und Kommunalwahlen gelten die landesgesetzlichen Regelungen. Es kann insoweit nicht auf die Regelungen im Bundeswahlgesetz zurückgegegriffen werden und auch nicht auf die Regelungen für Parteitage.