Da gibt es also einen geleakten Arbeitsstand eines Gestzes für einen Mietdeckel in Berlin und die Immobilienlobby steht Kopf. Aber nicht nur diese. Auch bei einigen anderen drehen alle Sicherungen durch. Da wird davon gesprochen, dass die LINKEN Berlin anzünden. An anderer Stelle wird von Kamikaze geschrieben. Das Unternehmen Vonovia hat schon ausgerechnet, das „eine Mietobergrenze (…) die Mieteinnahmen in Berlin im kommenden Jahr um 20 bis 25 Millionen Euro reduzieren (würde)„. Die FDP wittert, was auch sonst, „Sozialismusfantasien„. Auch Enthüllungsjournalisten*innen sind aktiv und weisen darauf hin, dass diese Lompscher ja nur umsetze was die linksradikale „Interventionistische Linke“ schon mal aufgeschrieben hatte.
Ich frage mich da schon, ob an all diesen Empörten die Entscheidung des BVerfG zur Mietpreisbremse vorbeigegangen ist oder ob ihre Empörung auch deutlich macht, was sie vom BVerfG halten. Es geht mir jetzt nicht um einzelne Regelungen in einem Arbeitsentwurf. Die Auseinandersetzung mit einzelnen Regelungen lohnt sich, wenn ein offizieller Entwurf vorliegt. By the way: Die Mietobergrenze wie vom Mieterverein vorgeschlagen liegt nur leicht höher als der Arbeitsstand zum Mietdeckelgesetz und hätte vermutlich ähnlich harsche Reaktionen hervorgerufen. Es geht mir um die Idee des Mietendeckels, die trotz Beschluss des Senates zu seinen Eckpunkten nunmehr offensiv in Frage gestellt wird. Als hätten einige wirklich gedacht, aus den Eckpunkten folge nichts.
Es scheint so, als wären grundlegende Aussagen des BVerfG zu Möglichkeiten der Einflussnahame auf den Mietmarkt, getroffen in der Entscheidung zur Mietpreisbremse, nicht zur Kenntnis genommen worden.
Das BVerfG hat formuliert (Rdn. 76):
„Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieterinnen und Vermieter aber mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen (…). Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil ein solches Interesse seinerseits vom grundrechtlich geschützten Eigentum nicht umfasst ist.“
Vielleicht noch mal in fett geschrieben: Das Vertrauen der Vermieter*innen, „mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil ein solches Interesse seinerseits vom grundrechtlich geschützten Eigentum nicht umfasst ist.“ Oder übersetzt: Es gibt kein Grundrechtsschutz auf höchstmögliche Mieteinkünfte. Höchstmögliche Mieteinkünfte sind nämlich gar nicht vom Eigentumsschutz des Grundgesetzes umfasst. Das BVerfG geht noch weiter (Rdn. 75):
„Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann im Rahmen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums einmal geschaffene Regelungen nachträglich verändern und fortentwickeln (…), auch wenn sich damit die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Eigentumspositionen verschlechtern. Die Abänderung kann durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein (…). “
All jene, die nun nicht schnell genug „Enteignung“ rufen, sollten diese Passage noch einmal in Ruhe lesen. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, Rechtspositionen unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber darf Regelungen zum Eigentum verändern, auch wenn die Nutzungsmöglichkeiten des Eigentums beschränkt werden. Es reicht halt nicht nur Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu lesen, der Art. 14 Abs. 2 GG gehört auch zum Grundgesetz.
Und für all diejenigen, die sich beschweren, dass die Lage einer Wohnung bei der Mietobergrenze derzeit nicht berücksichtigt wird, hat das BVerfG auch noch was (Rdn. 82):
„Eine Wohnung bildet den Lebensmittelpunkt der Einzelnen und ihrer Familien und soll nicht allein der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, sondern auch der Freiheitssicherung und der Persönlichkeitsentfaltung dienen (…). Das umfasst auch die Lage der Wohnung, etwa in Bezug auf die Entfernung zu kulturellen Einrichtungen, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Naherholungsgebieten oder die Erreichbarkeit mit öffentlichem Nahverkehr. Nichts Anderes gilt für die von der Miethöhenregulierung mittelbar geschützten Bestandsmieter auf nachgefragten Wohnungsmärkten. Endet das bestehende Mietverhältnis, unterliegen ihre Interessen bei der Suche einer neuen Wohnung im bisherigen Stadtviertel jedenfalls einem den übrigen Wohnungssuchenden vergleichbaren Schutz.“
Auch das ist eigentlich nicht schwer zu verstehen. In jeder Lage muss es bezahlbaren Wohnraum geben. Oder um es noch einmal mit dem BVerfG zu sagen (Rdn. 66 und 72):
„Der gesetzgeberische Zweck, durch die Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Wohnquartieren entgegenzuwirken, liegt im öffentlichen Interesse. (…) Der Gesetzgeber ist aber bei mietrechtlichen Regulierungen nicht darauf beschränkt, die Belange der jeweiligen Mieter zu schützen. Er kann sich vielmehr auch auf das darüberhinausgehende gesellschaftspolitische Interesse an einer durchmischten Wohnbevölkerung in innerstädtischen Stadtvierteln berufen. Als langfristige Folge der Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus stark nachgefragten Stadtvierteln droht eine Aufteilung der Wohnbevölkerung auf einzelne Stadtteile nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (…). Mit Blick auf diese, durch spätere Maßnahmen nur schwer zu beseitigenden Folgen einer Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus einzelnen Stadtvierteln kommt der von der Gesetzentwurfsbegründung angestrebten Verhinderung der Gentrifizierung (…) als Gemeinwohlbelang ebenfalls Gewicht zu.“
Verhinderung von Gentrifizierung ist ein Gemeinwohlbelang von Gewicht, sagt das BVerfG. Die Frage ist also, ob ich, wenn ich die Lage einer Wochnung berücksichtige, diesem Geminwohlbelang noch nachkommen kann. Vielleicht sagt das mal jemand dem Herrn Gräff von der CDU, der offenbar findet in der Stadtmitte (Kudamm) soll mehr gezahlt werden als am Stadtrand.
Mein Vorschlag wäre ja, die Diskussion um den Mietdeckel mit jenen zu führen, die die Entscheidung des BVerfG anerkennen und diese als Grundlage für staatliches Eingreifen in den Mietmarkt akzeptieren. Dann kann, wenn der fertige Entwurf vorliegt, gern darüber debattiert was für Berlin geeignet, erforderlich und angemessen ist. Wer offensiv die Entscheidung des BVerfG negiert oder in Frage stelllt, der schießt sich selbst aus der Debatte.