Faszination

Die Idee der Vergesellschaftung von Grund und Boden großer Wohnungsunternehmen fand ich schon faszinierend, da hatte dIe Unterschriftensammlung von #dwenteignen noch gar nicht begonnen. Die Faszniation war doppelt: Das Thema ist nicht nur juristisch total spannend und herausfordernd, auch politisch steckt da viel Musik drin.

Die Unterschriftensammlung begann im April 2019 und im April 2019 hatte ich mich bereits mit einigen juristischen Argumenten der Gegner:innen auseinandergesetzt. Den Volksentscheid haben viele Menschen auf unterschiedliche Weise unterstützt. Meine Unterstützungsleistung bestand in dem Schreiben von Artikeln, dem Sammeln von Unterschriften und natürlich einer „Ja“ Stimme beim Volksentscheid.

Mir waren immer zwei Dinge besonders wichtig: Erstens den zentralen Unterschied zwischen Enteignung (Artikel 14 GG) und Vergesellschaftung (Art. 15) herausarbeiten und Zweitens, dass es bei der Vergesellschaftung nicht allein um die Frage von Mieten geht, sondern um die Frage der Verfügungsgewalt über Grund und Boden.

Die Besonderheit der Debatte um Vergesellschaftung besteht in Berlin darin, dass erstmals aus der theoretischen Idee eine angewandte Praxis werden kann. Es könnte also tatsächlich Geschichte gemacht werden, denn es gibt bisher in Deutschland kein in Kraft getretenes Vergesellschaftungsgesetz.

Ja, es gibt das sog. Sozialisierungsgesetz Hessen. Hintergrund war hier, dass mit  dem Inkrafttreten der Verfassung des Landes Hessen am 1. Dezernber 1946 (Achtung: das ist vor Inkfrattreten des Grundgesetzes) einigeWirtschaftszweige (Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung, Energiewirtschaft sowie an Schienen und an Oberleitungen gebundenes Verkehrswesen) in Gemeineigentum überführt wurden. Das -niemals in Kraft getretene- Gesetz über Sozialgemeinschaften ist aber aus meiner Sicht nicht als Vorlage für das Berliner Vergesellschaftungsgesetz verwendbar. Auch das nicht in Kraft getretene Sozialisierungsgesetz Berlin aus dem Jahr 1949 hilft nicht wirklich weiter – denn die Vergesellschaftung von Grund und Boden ist hier ebensowenig Gegenstand wie im hessischen Gesetz.

Damit Vergesellschaftung praktisch werden kann, bedarf es zunächst einer gesellschaftlichen mehrheitlichen Befürwortung der Idee. Die Initiative DW enteigenen hat hier ganz Großartiges geleistet und mit ihrer Kampagne erreicht, dass eine Mehrheit der abstimmenden Berliner:innen in einem Volksentscheid den Senat aufgefordert hat, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind. Aufgrund der Regelung in Art. 15 GG, welche vorschreibt das die benannten Güter (Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel) „durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt“ in Gemeineigentum überführt werden, kann dies nur ein Gesetz sein.

Die Vergesellschaftung praktisch zu machen ist kein Sprint sondern ein Marathonlauf – um mal eine Metapher zu bedienen. Nicht die kuzrfristigen propagandistischen Erfolge sind entscheidend, sondern das am Ende die Vergesellschaftung stattfindet, d.h. das BVerfG das konkrete Vergesellschaftungsgesetz akzeptiert und als verfassungsgemäß ansieht. Juristisch bedeutet dies, sich mit den Argumenten der Kritiker:innen auseinanderzusetzen und diese zu widerlegen. Es braucht dazu Schrifttum, Schrifttum und noch mal Schrifttum.

Die grundsätzliche Frage OB Vergesellschaftung möglich ist, muss aus meiner Sicht gar nicht mehr ernsthaft debattiert werden. Es muss jetzt darum gehen, WIE Vergesellschaftung konkret geht. Die wirklich übergroße Mehrheit der juristischen Wssenschaft ist sich einig, dass grundsätzlich eine Vergesellschaftung von Grund und Boden großer Wohnungsunternehmen möglich ist. Um es aber noch einmal zu verdeutlichen, Artikel 15 GG legt abschließend fest, was vergesellschaftet werden kann: Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel. Es geht also nicht um die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen (oder es wird der Diskurs mit offenem Ausgang geführt ob Wohnungsunternehmen Produktionsmittel sind), sondern von Grund und Boden großer Wohnungsunternehmen und infolge des § 94 BGB der sich darauf befindlichen Gebäude als wesentliche Bestandteile der Grundstücke.

Auch die insbesondere von Sodan vertretene These, eine Vergesellschaftung in Berlin scheitere an einer Artikel 15 GG entsprechenden Norm in der Berliner Verfassung scheint mir nicht wirklich notwendig zu debattieren. Ich halte sie einfach für absurd. Aus mehreren Gründen: Zum einen gibt es eine historisch nachvollziehbare Begründung für das Fehlen in der Verfassung von Berlin, zum anderen wäre nicht nachvollziehbar warum das Grundgesetz in Berlin nicht gelten sollte. Das dennoch immer wieder angeführte Argument, das Fehlen einer Art. 15 GG entsprechenden Norm in der Berliner Verfassung spreche für einen höheren Eigentumsschutz in der Berliner Verfassung als im Grundgesetz lässt nicht nur die bereits benannten Argumente außer Betracht, sondern übersieht auch etwas anderes. Mit derselben wenig überzeugenden Argumentation könnte nämlich behauptet werden, dass mit Artikel 23 Abs. 2 Verfassung von Berlin ein deutlich geringerer Eigentumsschutz gewährleistet werden soll als im Grundgesetz. Immerhin sieht die Verfassung von Berlin an dieser Stelle keine Entschädigung für die Enteignung vor. Und auf Grund der Spezialregelung in der Berliner Verfassung verde der Art. 14 GG verdrängt. Ich halte das genauso für Unsinn wie  die Argumentation, Art. 15 GG sei in Berlin nicht anwendbar. Ich will hier nur auf die verquere Logik des Arguments hinweisen, es fehle einer Artikel 15 GG entsprechenden Norm in der Berliner Verfasung.

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid, der den Senat auffordert zu handeln, stellt sich aus meiner Sicht eine doppelte Herauforderung. Die im Volksentscheid generierte politische Mehrheit der Abstimmenden für die Vergesellschaftung muss gehalten werden und es muss für die konkrete Umsetzung ein Gesetz erbeitet werden. Letzteres braucht externen Sach- und Fachverstand und Ersteres kontinuierliche Überzeugungsarbeit außerhalb der eigenen Bubble und der Verfechter:innen einer Vergesellschaftung.

Sobald der konkrete Gesetzentwurf vorliegt und im Rahmen der Vorbereitung seiner Erarbeitung  muss KONKRET juristisches Schrifttum, Schrifttum und nochmal Schrifttum generiert werden. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich halte das für die entscheidende Frage und es bedarf hier der Konzentration und Zusammenarbeit aller die konkrete Vergesellschaftung Befürwortenden. Denn der Gesetzentwurf landet so oder so beim Bundesverfassungsgericht und das wird sich auf die Literatur stürzen. Begleitet werden muss dies mMn von einer politischen Argumentation. Warum ist Vergesellschaftung politisch sinnvoll (ja, ja das ist dann die Unterscheidung zwischen Artikel 14 GG und Artikel 15 GG, auf die ich so gern verweise)? Warum macht Vergesellschaftung bodenpolitisch, mietenpolitisch und wohnungswirtschaftlich Sinn? Warum ist das finanzpolitisch stemmbar und angemessen? Es gibt ja ausreichend gute Argumente – diese müssen halt nur immer wieder perpetuiert und aktualisiert werden.

 

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