Die letzte Sitzungswoche des 17. Deutschen Bundestages ist nun vorbei. Wir werden am 2./3. September noch einmal zusammenkommen, aber die Routine einer Sitzungswoche wird das wohl nicht mehr sein.
Eigentlich dachte ich, dass es im Bundestag zum Ende hin eher ruhig zugeht. Doch damit lag ich falsch. Richtig falsch. Alle die in den vergangenen vier Jahren meinten zu wenig geredet zu haben -egal ob in Fraktion oder Ausschuss- legten noch einmal richtig los. Alles was bisher nicht geschafft wurde, wurde versucht noch zu beenden. So kam es zum Beispiel zur Absurdität, dass nach der letzten Sitzung des Rechtsausschusses noch eine Anhörung zum Mietrecht stattfand. Der Antrag der LINKEN war ebenfalls Bestandteil der Anhörung und mein Praktikant Vincent hat hier schon einiges dazu geschrieben. Ob es dem Parlamentarismus wirklich hilft, wenn eine Anhörung stattfindet, die keine praktische Auswirkung mehr hat, sei mal dahingestellt.
Die Hektik der letzten Sitzungswoche zeigte sich dann auch an den zu haltenden Reden. Meine letzte Rede sollte ich zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu unseriösen Geschäftspraktiken halten. Ich habe diese Rede in einer Länge von 7 Minuten tatsächlich gehalten, aber aufgrund besonderer Umstände anders als gedacht. Beim Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken ging es um unseriöses Inkasso, Telefonwerbung und das Abmahnunwesen. Gerade letzteres Thema ist mir wichtig, DIE LINKE hatte bereits im Juli 2011 einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Geplant war dem Thema Abmahnunwesen ca. 5 Minuten der Redezeit zu widmen, schließlich war zu würdigen, dass die Bundesregierung von der LINKEN abgeschrieben hat, wenn auch bedauerlicherweise nicht konsequent, was wiederum zu kritisieren war.
Doch dann meinten Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die SPD nach der Devise verfahren zu müssen: „Der Zweck heiligt die Mittel“. Die Grünen meinten einen Gesetzentwurf zur Änderung im BGB als Änderungsantrag einbringen zu müssen (Kappung bei Wiedervermietung) und Grüne und SPD meinten weiterhin jeweils einen Änderungsantrag zum Thema Abgeordnetenbestechung einzubringen, der ihre ursprünglichen Gesetzentwürfe zu diesem Thema enthielt. DIE LINKE war die erste Fraktion, die einen diesbezüglichen Gesetzentwurf vorgelegt hatte. Die 3 Änderungsanträge hatten nun gar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun. Ich verstehe die Verärgerung darüber, dass die Koalitionsmehrheit durch gefühltes 20fache vertagen der Gesetzentwürfe zur Abgeordnetenbestechung im Rechtsausschuss verhindert hat, dass das Thema im Bundestag debattiert wird. Aber hier mit einer Instrumentalisierung der Geschäftsordnung vorzugehen, halte ich für Grundfalsch. Ein Änderungsantrag muss eigentlich immer einen Zusammenhang zum eigentlichen Antrag haben, sonst hieße er ja nicht Änderungsantrag. Im Kommentar von Roll zur Geschäftsordnung des Bundestages heißt es: „Ist fraglich, ob eine Änderungsantrag vorliegt, weil kein Sachzusammenhang mit der Materie des Gesetzentwurfes besteht, … .“ Das Vorgehen von Grünen und SPD war nichts anderes, als das berüchtigte Omnibusverfahren anzuwenden. Das sich die Koalitionsfraktionen darüber nicht aufregen ist wenig überraschend, zu häufig haben sie selbst es mindestens in den Ausschüssen praktiziert. Allein dieses Vorgehen hätte mich motiviert mich bei den Gesetzentwürfen zu enthalten. Aber so etwas -wird mir jedenfalls immer wieder gesagt- ist nicht vermittelbar. Deshalb habe ich in meiner Rede v.a. inhaltliche Gründe für die Enthaltung zu allen drei Gesetzentwürfen genannt und mein Abstimmungsverhalten auch schriftlich erklärt.
Wer ausführlichere Argumentationen zur Enthaltung und generellen Position der LINKEN zum Thema Abgeordnetenbestechung sucht, liest am besten die Reden meines Kollegen Raju Sharma hier und hier und hier nach.
Mir ist die geschlossene Enthaltung der Linken, ausgerechnet wenn es um Abgeordnetenbestechung geht, ein Rätsel. Sie wird für mich auch durch die obigen Ausführungen nicht weniger skandalös. Wen außerhalb des Bundestages kümmerts, ob die Linke da was „als erste“ eingebracht hatte oder ob da mit Änderungsanträgen gearbeitet wurde. Als Signal an die Öffentlichkeit ist dieses Abstimmungsverhalten kurz vor einer Wahl verheerend. Die SPD hat auch schon ein Werbeposter für sich draus gebastelt, das jetzt auf den soziaen Medien kursiert: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=545381232187191&set=a.533690933356221.1073741838.171274572931194&type=1&theater
@bert: die grafik kenn ich. aber auch mit den stimmen der linken hätte es keine mehrheit gegeben. und die beiden anträge von grünen und spd lösen das problem nicht wirklich, sondern lassen erhebliche schlupflöcher. deshalb mein verweis auf die reden meines kollegen sharma. lies die mal durch, da wird das glaube ich ziemlich deutlich. die spd hat (wahlkamof)populismus betrieben und ich setze darauf, dass mündige bürger/innen das erkennen.
Das Moralgeschrei der SPD ist verlogen:
Willy Brandt überstand 1972 das Misstrauensvotum nur, weil bei einigen CDU-Abgeordneten etwas „nachgeholfen“ wurde, nachweislich bei Julius Steiner. Herbert Wehner sprach später in einem Interview sibyllinisch von der „besonderen Seite der Demokratie“: http://www.youtube.com/watch?v=tZT0ECKd0VA#t=8m05s
„….ich setze darauf, dass mündige bürger/innen das erkennen.“
der war gut!
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