Recht auf Nachzählung gesetzlich verankern

Für das BSW habe ich gar nichts übrig. Im Gegenteil. Die fast schon verzweifelten Bemühungen des BSW die fehlenden 0,03% der Stimmen für die Überschreitung der undemokratischen 5% Sperrklausel irgendwie zusammenzubekommen haben schon was von #Mimimimi und sind teilweise garniert mit Verschwörungstheorien.

Jenseits dieser persönlichen Auffassung weisen die Bemühungen dennoch auf ein Problem hin – eine Rechtsschutzlücke im Wahlprüfungsrecht. Es fehlt die Normierung eines Rechts auf Nachzählung. Natürlich an Voraussetzungen geknüpft.

Es gibt weder ein Recht auf Nachzählung noch einen Rechtsweg dieses nicht aufgeschriebene Recht zu erzwingen.

Der Art. 41 GG ist eindeutig. Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages, gegen dessen Entscheidung ist die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zulässig und das Nähere regelt ein Gesetz. Bei diesem Gesetz handelt es sich um das Wahlprüfungsgesetz (WahlPrG). In § 1 Abs. 1 wird festgehalten: „Über die Gültigkeit der Wahlen zum Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Art. 41 des Grundgesetzes unterliegen, entscheidet vorbehaltlich der Beschwerde gemäß Art. 41 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundestag.“

Es ist unzweifelhaft eine Verletzung des Rechts, wenn bei der Auszählung und der Übermittlung von Wahlergebnissen Fehler aufgetreten sind. Es ist allerding keine Verletzung des Rechts, wenn eine Wählerin oder ein Wähler etwas verwechselt oder eine Partei nicht findet (BSW unter dem Knick) und deswegen sein/ihr Kreuz woanders macht. Letzteres bewegt sich im Bereich der Verschwörungstheorie.

Das Wahlprüfungsgesetz regelt allein (vgl. § 2) die Einlegung des Einspruchs beim Bundestag. Das passiert natürlich erst, wenn sich der Bundestag konstituiert hat. Dann kann natürlich begründet werden, dass die einsprechende Partei der Auffassung ist, es habe Fehler bei der Auszählung oder Übermittlung gegeben, ein Nachweis wird der Partei aber nur möglich sein, wenn es eine Nachzählung gegeben hat. Ohne diese kann sie nur mutmaßen und auf Indizien verweisen, also weil sich bei den Nachzählungen in X oder Y etwas ergeben hat, muss sich beim Rest auch was ergeben. Wenn es eine solche Nachzählung gibt, findet diese in der Regel vor der Feststellung des amtlichen Endergebnisses statt, der konkrete Fehler wäre also korrigiert. Nach § 18 des WahlPrG gilt für die Beschwerde an das BVerfG das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. In § 13 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG wird einzeln und abschließend geregelt, worüber das BVerfG entscheidet. Nach § 13 Nr. 3 BVerfGG entscheidet das BVerfG über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundestages, die die Gültigkeit einer Wahl oder den Erwerb oder Verlust der Mitgliedschaft eines Abgeordneten beim Bundestag betreffen. Ein direkter Weg zum BVerfG für die Klärung ob ein Wahlfehler vorliegt ist nicht eröffnet. Auch die anderen Zuständigkeitsziffern dürften einen solchen Weg nicht eröffnen.

Im Ergebnis bleibt zunächst der unbefriedigende Zustand, dass bei Auszählungs- und Übermittlungsfehlern, soweit keine Nachzählung stattgefunden hat, eigentlich nur der Weg bleibt mit Vermutungen eine Wahlprüfungsbeschwerde einzulegen. Die Entscheidung kommt dann zwei oder drei Jahre später.

Was helfen würde, wäre ein Recht auf Nachzählung, direkt verankert im Bundeswahlgesetz oder der Bundeswahlordnung und –das ist ein Folgeproblem- eine Zuständigkeitsregelung, welches Gericht eine solche Nachzählung anordnet. Aber der Reihe nach.

Das Bundeswahlgesetz enthält in den §§ 37 ff. keine Regelung, wie eine Nachzählung erzwungen werden kann. In § 40 ist lediglich das Nachprüfungsrecht des Kreiswahlausschusses geregelt, nach dem der Wahlvorstand über alle bei der Ermittlung des Ergebnisses sich ergebenden Anstände (das steht da wirklich) entschieden hat. Zudem wird in § 41 geregelt, dass der Kreiswahlausschuss feststellt, wieviel Stimmen auf die einzelnen Kreiswahlvorschläge und Landeslisten abgegeben worden sind, der Landeswahlausschuss stellt die Zweitstimmenzahl für das jeweilige Bundesland pro Partei fest und der Bundeswahlausschuss wieviel Sitze auf die einzelnen Landeslisten entfallen und stellt dann abschließend das Wahlergebnis fest und wer gewählt ist (§ 42 Abs. 1). Auch aus der Bundeswahlordnung ergibt sich kein Recht auf Nachzählung. In den §§ 67 ff. BWahlO wird die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses geregelt. Eine Regelung zur Nachzählung findet sich in § 69 Abs. 7 S. 3 BWahlO: „Beantragt ein Mitglied des Wahlvorstandes vor der Unterzeichnung der Wahlniederschrift eine erneute Zählung der Stimmen, so ist diese (…) zu wiederholen.“ Wer nicht Mitglied im Wahlvorstand ist, kann eine Nachzählung nicht erzwingen. Der Kreiswahlleiter/die Kreiswahlleiterin prüft nach § 76 Abs. 1 die Wahlniederschriften auf Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit, wenn sich aus der Wahlniederschrift oder sonstigen Gründen Bedenken ergeben, so klärt der Kreiswahlleiter/die Kreiswahlleiterin diese soweit wie möglich auf, soweit eine Nachzählung stattfindet, wird dies öffentlich bekannt gemacht. Auch hier kein Recht auf Nachzählung.

Ein solches Recht auf Nachzählung ist selbstverständlich Missbrauchsanfällig und damit kann die gesamte Wahlübermittlung und –feststellung lahmgelegt werden. Deswegen wäre es schon sinnvoll, auch materielle Kriterien (inhaltliche Kriterien) festzulegen. Dies könnte bei einem Unterschied von 0,5% (wenn schon denn schon nehmen wir wieder die 5) im Hinblick auf ein weiteres Mandat bzw. Wahlkreissieg ebenso sein, wie fehlende 0,5% bundesweit im Hinblick auf die Erreichung der Sperrklausel. Eine Nachzählung müsste von der betroffenen Person oder Partei beantragt werden. Auf Grund der föderalen Gliederung der Wahlorgane müsste dann noch geklärt werden wo dieser Antrag gestellt werden muss. Eigentlich müsste das in jedem Wahllokal oder maximal in jedem Wahlkreis stattfinden, praktisch dürfte dies von Parteien organisatorisch nicht zu bewältigen sein, so dass ggf. als Kompromiss auf einen entsprechenden Antrag im jeweiligen Bundesland abgestellt werden könnte.  Entsprechend einer solchen Festlegung könnte dann auch über den Klageweg entschieden werden, falls einem solchen Anspruch –wenn er denn gesetzlich normiert ist- nicht nachgekommen wird. Dies dürfte wohl nur über das Bundesverfassungsgericht denkbar sein, wie die Ausführungen des BVerfG vom 25. Januar 2023 nahelegen.

Ausgeschlossen sein dürfte -ohne normierten Anspruch auf Nachzählung- der Gang zum Verwaltungsgericht. Aus dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin ergibt sich die absurde Situation, dass verwaltungsgerichtlicher Eilrechtsschutz wegen Unzuständigkeit nicht möglich ist und der Verfassungsgerichtshof sich ebenfalls für unzuständig erklärt.

Damit kurz abschließend ein Abstecher nach Berlin. In dem sich dort im parlamentarischen Verfahren befindlichen Änderungsvorschlag zum Landeswahlgesetz wird das Thema nicht aufgegriffen, obwohl das Problem bekannt ist. Dort hätte verankert werden können, dass es ein Recht auf Nachzählung gibt und dieses ggf. vor dem Verfassungsgerichtshof einklagbar ist.

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