Dieser Text wird sehr lang werden.

Vorbemerkung

Die Debatte zum Wahlrecht am 17. März 2023 und die Verabschiedung des neuen Bundeswahlgesetzes wurde hoch emotionalisiert geführt, dabei gerieten auch einige Fakten durcheinander. Die sachliche Darstellung des derzeitigen Wahlrechts und seine Herleitung fielen dabei unter den Tisch. Das ist schade.

Der aus meiner Sicht akzeptable Grundentwurf des Ampel-Vorschlages wurde durch die kurzfristige Streichung der Grundmandatsklausel leider in seiner Akzeptanz untergraben. Und das vor allem wegen des Verfahrens (auch in der Sache finde ich die Streichung falsch, aber dazu komme ich noch). Am Sonntag sickerten erste Informationen durch, am Freitag wurde beschlossen. Das Wortprotokoll der Anhörung zum Gesetzentwurf, der eine Grundmandatsklausel enthielt, lag noch gar nicht vor.  Die Ampel hat durch das schnelle Verfahren verhindert, dass sich seriös mit der Grundmandatsklausel und den Folgen ihres Wegfalls beschäftigt wurde. Sie hat so einen Beitrag geleistet, dass ein Gefühl des „überfahren werden“ entstanden ist. Es wäre überhaupt nicht schlimm gewesen, sich einfach zwei…

Öffentlicher Berichterstattung zufolge will die Ampel den Gesetzentwurf zum Wahlrecht ändern. An dieser Stelle hatte ich dem Entwurf bescheinigt, dass er bessser als erwartet ist. Auch wenn es nicht meine Lieblingsvariante ist (die bleibt weiterhin ein reines Verhältniswahlrecht mit veränderbaren Listen), fand ich die Idee insgesamt ganz charmant.

Leider macht die Ampel mit den öffentlich gewordenen Änderungsvorschlägen die gute Idee kaputt. Und das ohne Not. Ich will mich jetzt gar nicht an der Erhöhnung der gesetzlichen Sitzzahl der Mitglieder des Bundestages aufhalten, das ist verfassungsrechtlich weder zwingend noch verboten.

Ich halte es nicht für zielführend, eine „Rückbenennung“ der Wahlkreis- und Hauptstimme in Erst- und Zweitstimme vorzunehmen. Schon jetzt gibt es unter den Wählenden eine Verunsicherung, welche Stimme die „Wichtigere“ ist. Die „Umbenennung“ in Wahlkreis- und Hauptstimme hat insoweit schon Sinn gemacht. Denn mit dem im Kern immer noch unterstützenswerten Ansatz des Ampel-Gesetzentwurfes kommt es gerade auf die Hauptstimme oder jetzt wieder Zweitstimme an. Weil ohne deren Deckung auch kein…

Als ich den Beschluss des BVerfG zu einer Verfassungsbeschwerde mit  dem die fehlende Einführung eines Tempolimits gerügt wird las, erinnerte ich mich an einen Schlager (?) aus meiner Kindheit: Freu Dich bloß nicht zu früh.

Gefreut hatte ich mich nämlich über die Entscheidung des BVerfG zum Klimaschutz mit der Formulierung zu den intertemporalen Freiheitsrechten. In den Leitsätzen formulierte das BVerfG damals:

Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.“  (Leitsatz 1)

Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen…

Nun ist es da, das erste Urteil zu einem Paritätsgesetz. Der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Thüringen hat gesprochen und das Paritätsgesetz für nichtig erklärt. Das Urteil ist enttäuschend, vor allem wegen seiner Begründung. Zwar stellt der VerfGH Thüringen klar, dass grundsätzlich Eingriffe in die Wahlrechtsgrundsätze durch das Gleichstellungsgebot in Verfassungen gerechtfertigt sind, kommt dann aber zu einem bedauerlichen Ergebnis, weil die Auslegungsgrundsätze fehlerhaft angewendet werden.

Der Landtag von Thüringen beschloss mit der Änderung des Wahlgesetzes ein Teilparitätsgesetz. Teilparität deshalb, weil es keine Regelungen zu den Wahlkreisen gab. Nach dem Gesetz sind die für eine Wahl einzureichenden Listen abwechselnd mit Männer und Frauen zu besetzen und Personen, die im Personenstandsregister als „divers“ eingetragen sind, können unabhängig von der Reihenfolge für einen Listenplatz kandidieren. Nicht mehr und nicht weniger wurde beschlossen. Niemandem ist es nach dem Gesetz verboten zu kandidieren.

Nun gibt es um Paritätsgesetze immer sehr spannende Debatten und tatsächlich auch Gegenargumente, mit denen sich eine ernsthafte Auseinandersetzung lohnt. Das zentrale…

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat heute also entschieden, dass die von Union, FDP, SPD und Grünen gegen die Stimmen der LINKEN eingeführte 3%-Sperrklausel zur Europawahl verfassungswidrig ist. Das Urteil des BVerfG war erwartbar und setzt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sperrklausel bei der Europawahl konsequent fort. Das Verfahren vor dem BVerfG hätte nicht stattfinden müssen, hätten die benannten Parteien auf die LINKE gehört, die im Verfahren der Gesetzgebung immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die 3%-Sperrklausel nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. November 2011 auch verfassungswidrig ist. Doch auf die LINKE wollten die anderen nicht hören. Jetzt haben sie den Salat und müssen sich vom BVerfG erneut bescheinigen lassen, ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen zu haben.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 9. November 2011 die 5%-Sperrklausel für verfassungswidrig erklärt und in seiner Entscheidung u.a. ausgeführt:  „Faktisch kann der Wegfall von Sperrklauseln und äquivalenter Regelungen zwar eine spürbare Zunahme von Parteien mit einem oder zwei Abgeordneten im…

Der Innenausschuss hat am heutigen Tag eine Anhörung zur bereits für Donnerstag geplanten Änderung des Europawahlrechts durchgeführt. Wie ich bereits hier geschrieben habe, hatten wir erst kurzfristig von dem endgültigen Termin erfahren und mussten schnell einen Sachverständigen finden. Dieser wiederum hatte heute das Pech von den ständigen Verspätungen der Deutschen Bahn bzw. einem auf der Bahnstrecke liegenden Dammbruch betroffen zu sein und kam in Berlin an, als die Anhörung beendet war. Wobei, genau betrachtet waren eigentlich noch 5 Minuten Zeit. Aber zu Wort ist er trotzdem nicht gekommen, weil die Sitzung beendet wurde. 🙁. Dankenswerterweise hat Wilko Zicht von wahlrecht.de seine Stellungnahme aber auch schriftlich eingereicht.

Wer sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Europawahlrecht noch einmal genauer ansieht, wird sicherlich über einige -besser die meisten- der vorgetragenen Argumente sicherlich überrascht sein.

Prof. Grzeszick kritisierte die Entscheidung des BVerfG als schwer nachvollziehbar. Das Urteil sei nicht überzeugend gewesen. Er wies allerdings -aus meiner…