Entscheidung des BVerfG zur Sperrklausel bei der Europawahl

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 6. Februar 2024 die Sperrklausel bei der Europawahl gebilligt. Im Hinblick auf die von Mehr Demokratie e.V. eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen die 5%-Sperrklausel im Bundeswahlgesetz ist interessant, ob sich der Beschluss des BVerfG auf diese auswirken könnte. Die auf Grund einer nationalen Regelung existierende 5%-Sperrklausel bei der Europawahl wurde vom BVerfG im November 2011 (BVerfGE 129,300) gekippt, die daraufhin geschaffene 3%-Sperrklausel ebenfalls (BVerfGE 135, 259). In der Entscheidung des BVerfG ging es nunmehr um eine europäische Regelung. Das Europäische Parlament unterbreitete im Jahr 2015 dem Rat der Europäischen Union einen Vorschlag zur Änderung des Continue Reading →

Beschränkung Kleiner Anfragen

Wenn es um die Rechte von Gruppen und die Kleinen Anfragen geht, muss zunächst bei den Rechten von Abgeordneten angesetzt werden. Dazu ist am besten die sog. Wüppesahl-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 80, 188) heranzuziehen. In der grundlegenden Entscheidung wurde in Rz. 109 festgehalten: „Demgemäß ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen, teilzunehmen. Dem Bundestag selbst obliegt es, in dem von der Verfassung vorgezeichneten Rahmen seine Arbeit und die Erledigung seiner Aufgaben auf der Grundlage des Prinzips der Beteiligung aller zu organisieren (…). Zu den sich so ergebenden Befugnissen des Abgeordneten rechnen vor allem das Continue Reading →

Darauf Ausgehen (Parteienverbot) – Potentialität = Darauf Ausgerichtet (Entzug der Parteienfinanzierung)

Mit der Entscheidung vom 23. Januar 2024 hat das BVerfG zunächst erst einmal klargestellt, dass die Änderung des Grundgesetzes aus dem Jahr 2017, mit der ein Entzug der staatlichen Teilfinanzierung von Parteien ermöglicht wurde, der Verfassung entspricht. Über die konkrete Entscheidung hinaus, hat das Urteil weitere Implikationen: Absoluter Bestandsschutz für Menschenwürde und Staatsstrukturprinzipien Der Ls. 2 stellt klar, dass die „von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Inhalte (…) absoluten Bestandsschutz (genießen). Hieraus folgt, dass Art. 79 Abs. 3 GG im Vergleich zu anderen Verfassungsnormen als übergeordnet anzusehen ist und Verfassungsänderungen, welche die von Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen nicht beachten, sich als >verfassungswidriges Continue Reading →

BVerwG sieht Trägerpluralität vor Chancengleichheit

Laut der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) vom 26. Oktober 2023 ist es einem Bundesland untersagt, eine Obergrenze (oder einen Deckel) für monatliche Zuzahlungen der Eltern für zusätzliche Leistungen freier Träger von Kindertagesstätten einzuführen. Dies, so das BVerwG, „ist mit dem Anspruch der freien Jugendhilfeträger auf gleichheitsgerechte Beteiligung am staatlichen System der Kindertagesstättenfinanzierung unvereinbar (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG – in Verbindung mit den §§ 3 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII).“ Offensichtlich vereinbar ist es aber nach Ansicht des BVerwG eine soziale Segregation vorzunehmen, je nachdem in welchem Umfang Eltern für die Betreuung in einer Kindertagesstätte in der Lage sind, finanzielle Mittel Continue Reading →

Identitätspolitik-Rant

Einer der mehr oder weniger neuen Begriffe im politischen Raum ist Identitätspolitik. Der Begriff wird häufig abwertend genutzt. Aber was ist diese Identitätspolitik eigentlich? Offensichtlich verstehen verschiedene Menschen verschiedene Dinge unter Identitätspolitik. Robert Misik weist in diesem Beitrag dankenswerterweise darauf hin, dass es bereits bei Marx hieß, dass „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“. Dies zu Grund gelegt wäre Identitätspolitik eine Politik für gleiche Rechte für alle Menschen, für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung. Das wäre dann aber einfach Gerechtigkeitspolitik und keine Identitätspolitik. Es wäre eine Politik im Sinne von Artikel 1 und 2 Continue Reading →

Steuerbefreiung von Mieteinnahmen und Kindergrundsicherung

Medial wird derzeit ein Streit aufgeführt, der lautet: Paus gegen Lindner oder Wachstumschancengesetz gegen Kindergrundsicherung. Was dabei m.E. zu kurz kommt, ist eine Einordnung, was eigentlich jeweils gewollt ist. Denn nur dann kann ja geschaut werden, auf welche Seite sich geschlagen wird oder ob sich das eine mit dem anderen verbinden lässt. Im Hinblick auf das Wachstumschancengesetz lauert mindestens an einer Stelle eine gehörige Schieflage. Sicherlich findet sich das auch an anderer Stelle, aber diese ist mir halt aufgefallen. Allgemein, so lese zumindest ich das, setzt das Wachstumschancengesetz nicht an der Frage an, was die öffentlichen Haushalte an finanziellen Mitteln Continue Reading →

Gruppen-Rechtsnachfolge

Was passiert eigentlich, wenn sich eine Fraktion auflöst und ihre Rechtsstellung verliert, aus ihr aber eine (oder mehrere) Gruppen hervorgehen? Diese Frage könnte demnächst interessant werden und die Antwort lautet: Es kommt darauf an. 53 AbgG Bund regelt, dass Mitglieder des Bundestages sich zu Fraktionen zusammenschließen können und näheres die Geschäftsordnung des Bundestages regelt. Die Rechtsstellung der Fraktionen wird in § 54 AbgG Bund geregelt. Danach sind Fraktionen rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten, die klagen und auch verklagt werden können. Aus der Geschichte ist bekannt, dass Bundestagsgruppen ebenfalls klagen und verklagt werden können. Eine Regelung zu Gruppen findet sich aber im Continue Reading →

Experten*innen zur Vergesellschaftung

Nach der Veröffentlichung des Berichtes der Experten*innen-Kommission zur Vergesellschaftung gab es den einen oder anderen Artikel, mittlerweile ist es aber wieder ruhig. Das ist ausgesprochen Schade, denn der Bericht enthält neben interessanten juristisch-dogmatischen Erwägungen auch die eine oder andere sonstige spannende Aussage. Was das grundsätzliche Problem von Privateigentum an Grund und Boden sowie Produktionsmitteln ist, wird in dem Kommissionsbericht dargestellt und hat meines Erachtens noch viel zu wenig Beachtung gefunden. Die beschriebenen Probleme müssen ganz am Anfang einer jeden Debatte stehen, weswegen die Ausführungen auch am Anfang dieses Blogbeitrages stehen. Ich zitiere einfach länger, weil es so schön präzise auf Continue Reading →

Auf einmal sind die Geschäftsordnungsfristen eine Verletzung von Abgeordnetenrechten

  Das Bundesverfassungsgericht hat nach eigener Pressemitteilung entschieden, dass trotz eines der Geschäftsordnung entsprechenden Verfahrens, die Rechte von MdB verletzt wurden und deshalb das Gebäudeenergiegesetz (GEG) nicht mehr vor der Sommerpause beschlossen werden kann. Geklagt hatte MdB Heilmann (CDU), Bundestagsabgeordneter seit 2017. Er sah sich in seinen Rechten verletzt. Hintergrund ist ein Gesetzesvorhaben, dass am 19. April 2023 im Kabinett beschlossen und am 17. Mai 2023 in den Bundestag eingebracht wurde. Am 15. Juni 2023 fand die erste Lesung statt, der Gesetzentwurf wurde in den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen. Eine Sachverständigenanhörung fand am 21. Juni 2023 statt und Continue Reading →

Ungleichheit beim Schutz vor Durchsuchungen

Unter dem Radar der Öffentlichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ein Urteil gefällt, welches auf ein Problem aufmerksam macht. Bislang ist nur die Pressemitteilung öffentlich zugänglich, aber für eine erste Bewertung ist diese ausreichend. In dem Verfahren hat sich ein Betroffener gegen das Betreten seines Zimmers in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) durch den Polizeivollzugsdienst zur Nachtzeit anlässlich seiner Überstellung nach Italien gewendet und wollte die Rechtswidrigkeit feststellen lassen – und scheiterte damit. Das BVerwG hat zunächst festgestellt, dass es sich bei dem Zimmer um eine Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG handelt. Da es aber  „über das bloße Betreten Continue Reading →