Das Urteil des LVerfGH Berlin zur Wahl im September 2021

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (LVerfGH) hat mit Urteil vom 16. November 2022 (154/21) entschieden: „Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen werden für das gesamte Wahlgebiet für ungültig erklärt.“ Die Ungültigkeitserklärung wirkt „ex nunc“ (S. 149). Ausweislich des Urteils waren 2.447.600 Personen wahlberechtigt, insgesamt wählten 1.844.278 Personen. Die Wahlbeteiligung betrug 75,4 Prozent (2016: 66,9 Prozent). Der Anteil der Briefwählenden belief sich auf 46,8 Prozent aller Wählenden (863.545 Personen; 2016: 29 Prozent) und ca.35,3 Prozent aller Wahlberechtigten. In Präsenz wählten rund 53,2 Prozent der Wählenden (980.733 Personen; 2016: 71 Prozent) und ca. 40,1 Prozent der Wahlberechtigten. In den Urteilsgründen wird Continue Reading →

Sozialpolitik heißt Ressourcenumverteilungspolitik – politische und kulturelle Benachteiligungen müssen solidarisch und nicht aus-grenzend thematisiert werden

Beitrag von Elke Breitenbach, Dorotèe Menzner und Halina Wawzyniak Die Folgen des Klimawandels sind fast täglich spürbar. Der Kampf gegen den Klimawandel und Klimafolgepolitik sind Ressourcenverteilungskämpfe. Die Frage, wer wie vor den Folgen des Klimawandels geschützt ist, welche Vorsorge durch den Staat getroffen werden muss und wer zukünftig welche Ressourcen in welchem Umfang verbrauchen darf – das sind auch global betrachtet die neuen sozialen Fragen. Mit einem solch umfassenden Ansatz wird schnell klar, dass es globale Ursachen für Armut und Ausgrenzungen gibt. Auch haben globale Entwicklungen Auswirkungen auf die Sozialsysteme der unterschiedlichen Länder. Wenn soziale Gerechtigkeit global gedacht wird, dann Continue Reading →

Über autoritäre Selbstgerechte

Immer wieder glauben Menschen, wenn ihrer Meinung widersprochen wird, ist dies das Ende der Meinungsfreiheit. Offensichtlich ist es auch ein gutes Geschäftsmodell das zu behaupten. Schnell die Behauptung aufgestellt dieses und jenes dürfe nicht mehr gesagt werden und es gäbe eine veröffentlichte Meinung die Abweichungen nicht zulässt und ganz schnell gibt es dann in den so gescholtenen Medien (ob nun Fernsehen oder Zeitungen) ganz, ganz viel Platz diese These auszuwalzen. Das damit die eigene These ad absurdum geführt wird, wird nicht einmal gemerkt. Mir scheint hinter einem solchen autoritären Denken und einer solchen autoritären Einstellung ein bewusstes oder unbewusstes Missverstehen Continue Reading →

Solidarischer Herbst für Demokratie und gegen Verarmung

Politik findet in Zeit und Raum statt. Was gestern als Aktionsform richtig war, muss es heute nicht mehr sein. Morgen sind wiederum ganz andere Aktionsformen nötig. In einer Diktatur sind andere Formen von Protest und Widerstand legitim als in einer Demokratie. Personifizierungen und Verallgmeinerungen (Person X, „die Machtclique“) sind zur Überwindung einer Dikatur hilfreich – weil es in ihr keine demokratische Opposition und keinen demokratischen Weg zur Veränderung der Verhältnisse gibt. In einer stabilen Demokratie können Auseinandersetzungen härter und (möglicherweise) auch personalisierter geführt werden, als in einer gefährdeten Demokratie. Es gibt also keine Allgemeingültigkeit, welche Aktionsformen legitim und notwendig sind Continue Reading →

Umlage, Umlage, Umlage

Ich habe im Hinblick auf die Gas-Umlage hier und hier versucht einige Hintergründe darzustellen und einige Fragen gestellt. Mittlerweile scheint es so zu sein, dass an der Umlage etwas geändert oder diese abgeschafft wird. Dabei geht meines Erachtens einiges durcheinander und der Verbalradikalismus der Abschaffung könnte aus meiner Sicht für die betroffenen Bürger*innen finanziell sehr nachteilig sein. Warum? Vorweg: Es gibt einen auf einer EU-Verordnung basierenden Notfallplan Gas. Damit soll sichergestellt werden, dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um insbesondere für geschützte Kunden*innen eine unterbrechungsfreie Gasversorgung zu gewährleisten. Die Verordnung sieht den Vorrang von Marktmechanismen im Fall einer Störung vor, Continue Reading →

Zur Gasumlage – Teil II

Ich hatte bereits hier etwas zur Gasumlage geschrieben. Mittlerweile gibt es die Berechnung der Höhe der Gasumlage und die entsprechende Verordnung. Damit werden einige Dinge   klarer und einige Dinge stellen sich dann doch anders und weniger gut dar, als im letzten Beitrag zum Thema. Insbesondere scheinen mir die Umsetzung der Umlage, ihre Begründung und die Frage der Durchreichung an die Letztverbrauchenden noch einmal einen genaueren Blick wert. Auf der Internetseite der Bundesregierung ist beispielsweise zu lesen, dass durch die weniger Gaslieferungen aus Russland die Importeure unter hohen Kosten Ersatz beschaffen müssen und sie durch die Umlage dabei unterstützt werden sollen. Continue Reading →

Weil der Markt es eben nicht regelt – zur sog. Gasumlage

Kaum war die sog. Gasumlage verkündet machte sich Wut und Enttäuschung breit. Ablesbar in den verschiedenen sozialen Netzwerken. Die Wut und die Enttäuschung wurde personalisiert. Von Habeck-Umlage war die Rede. Das ist -wie ich versuchen werde zu zeigen- nicht zutreffend, die Wut und die Enttäuschung, vor allem aber die Angst die Gas- und Strompreise nicht bezahlen zu können ist aber nicht unberechtigt. Im Gegenteil. Die zum Teil vorgeschlagenen Lösungen (AKW wieder anschalten, Nord Stream 2 aufmachen, Sanktionen gegen Russland aussetzen) überzeugen mich nicht. Es gibt nämlich bessere Lösungen, die berücksichtigen, dass wenn wir nicht endlich den Umstieg auf regenerative Energien Continue Reading →

Protestcamp fällt unter den Schutz der Versammlungsfreiheit

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass ein Protestcamp -jedenfalls im Regelfall- unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fällt. Konkret hat das BVerwG geurteilt: „Eine infrastrukturelle Einrichtung eines als Versammlung zu beurteilenden Protestcamps unterfällt dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG, wenn sie entweder einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe aufweist oder für das konkrete Camp logistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist.“ Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere noch an die Debatten um Protestcamps bei den G20-Protesten in Hamburg. Auch damals war die rechtliche Einordnung ein großes Thema. Das BVerwG definiert Continue Reading →

Nur weil es nicht schlimmer wurde, ist es nicht gut – Der Ausgang ist offen

Über den LINKE-Parteitag ist schon viel geschrieben worden, aber noch nicht von mir ;-). Jede Auswertung ist geprägt von den eigenen Erwartungen im Vorfeld. Deshalb müssen diese, bevor es an eine Auswertung geht, noch einmal rekapituliert werden. Erwartung 1: Die Partei erkennt an, dass es einer programmatisch-strategisch-inhaltlichen Erneuerung bedarf und leitet einen Prozess ein, wie diese Erneuerung gelingen kann. Erwartung 2: Insbesondere der Leitantrag zur Außenpolitik ist so schlecht, dass er einer grundlegenden Überarbeitung bedarf, um überhaupt wieder in den politischen Diskurs als ernsthafter Player einzusteigen. Erwartung 3: Der Parteitag macht deutlich, dass die Genossen*innen des sozialkonservativen Konzepts (Arbeiterklasse first, Continue Reading →

Perfektionierung eines sterilen Politikverständnisses durch das BVerfG

Das Urteil des BVerfG zur Reichweite von öffentlichen Äußerungen von Regierungsmitgliedern vom 15. Juni 2022 ist ein ziemlicher Hammer. In der Konsequenz bedeutet das Urteil nämlich, dass Regierungsvertreter*innen weitgehend ihre politischen Überzeugungen und Auseinandersetzungen mit anderen politischen Parteien einstellen müssten. Sie müssten sich jeglicher Bewertung anderer Parteien enthalten, selbst wenn sie dabei ihre persönliche Sicht oder die Sicht ihrer Partei erklären. Die Verbeamtung von Regierungshandeln und damit eine Entpolitisierung halte ich in einer Demokratie für gefährlich. (Und da bin ich noch nicht bei dem hinter einem solchen Ansatz stehenden paternalistischen Ansatz, der von einem verführbaren Wahlvolk durch Äußerungen von Regierungsmitgliedern Continue Reading →